Kein bisschen erschüttert

von Redaktion

DFB-Team nimmt 3:3 gegen Italien als Positiv-Erlebnis wahr

Tim Kleindienst (r.) bejubelt sein 3:0.

Zufrieden: Bundestrainer Julian Nagelsmann. © Charisius/dpa

2012 nach dem 4:4 gegen Schweden: Mertesacker, Kroos, Reus, Schweinsteiger, Müller, Badstuber, Boateng, Özil und Klose. © IMAGO

Kein Sieg, aber die Stimmung war beim DFB nach dem 3:3 gegen Italien trotzdem gut. © Strauch/dpa (2)

Dortmund – Nein, so berühmt wie das 4:4 gegen Schweden wird das 3:3 gegen Italien nicht. Das „Fußballländerspiel Deutschland – Schweden 2012“ hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag, so wuchtig waren Ergebnis und Erlebnis vor zwölfeinhalb Jahren im Berliner Olympiastadion. Das 3:3 im Viertelfinal-Rückspiel der Nations League 2025 ist im Online-Lexikon noch unberücksichtigt, es hatte einen ähnlichen Verlauf, aber die Wirkung ist doch eine andere.

Nach jenem legendären 4:4 verschwanden die deutschen Spieler wie gefühlte Verlierer in geduckter Haltung in den Mannschaftsbus, das 3:3 ließ auf den Gesichtern viel Stolz und Zuversicht erkennen und eigentlich gar keine Spur von Beklemmung.

Was vergleichbar ist: Durch eine Gala hatten sich die deutschen Mannschaften jeweils eine klare Führung erspielt. 2012 im Spiel der WM-Qualifikation war es ein 4:0, das ab der 62. Minute zu zerbröseln begann. 2025 stand es 3:0, zählt man das Hinspiel-Ergebnis (2:1) dazu, entsprach das ebenfalls einem Vier-Tore-Vorsprung, die Nachlässigkeiten kamen aber nicht urplötzlich, sondern schon gleich zu Beginn der zweiten Hälfte, als im Wesentlichen Leroy Sané und Joshua Kimmich den Italienern ihr Tor zum 1:3 ermöglichten.

Das 4:4 ist aber das viel größere Geschwister des 3:3, denn es traf ein Team, dem man anmerkte, dass es für Höheres bestimmt war: Dritter Platz bei der WM 2010, im Halbfinale gewesen bei der EM 2012, bestückt mit einigen Weltklassespielern oder solchen, die auf dem Weg in die höchste Kategorie waren (Neuer, Lahm, Boateng, Schweinsteiger, Müller, Kroos, Özil, Klose) – der Einbruch gegen die biederen Schweden, die halt den einen funkelnden Stern Zlatan Ibrahimovic hatten, löste eine Erschütterung aus, die lange nachwirkte. Hingegen das 3:3 von Dortmund: Man sah es der Mannschaft, die ja noch nichts Monumentales geschaffen hat, nach – und sie sich selbst auch.

Sportdirektor Rudi Völler plauschte in den Katakomben des Westfalenstadions noch mit einigen alten Bekannten aus Italien, dann wandte er sich kurz den Medien zu und ließ erkennen, „dass ich total optimistisch bin“. Er lächelte weise: „Wir bleiben mit den Füßen auf dem Boden“, sah er als wertvollen Lerneffekt aus der zweiten Hälfte. Ihm war die erste wichtiger: „Das war mit das Beste, was wir seit Jahren gespielt haben.“ Das deckt sich mit der Einschätzung von Bundestrainer Julian Nagelsmann: „Die erste Halbzeit war unfassbar gut, aber vielleicht ist es für uns besser, dass wir das Spiel nicht 4:0 gewinnen.“ Wegen der Lehre, die sich daraus ergibt: „Wir müssen das über 90 Minuten durchziehen.“ Klar nehme man sich in der Pause vor, trotz eines 3:0 konzentriert zu bleiben, trotzdem könne es misslingen, so Mittelfeldspieler Angelo Stiller: „Der Klassiker.“ Der Stuttgarter wirkte fast erheitert.

Dass man „verwundbar ist, wenn man nicht 100 Prozent erreicht“, so Joshua Kimmich, muss ein Thema bleiben. Doch wichtiger war zu sehen, wie gut man sein kann, „wenn wir alle am Limit sind“. Der Kapitän selbst fand das „sehr sexy“, Torhüter Oliver Baumann nannte die erste Hälfte „brutal, mit unsere stärkste“, Angelo Stiller bezog sich auf „Superstatistiken und ein Supergefühl“ – und es herrschte Einigkeit, dass man die positive Seite herausstellen müsse. „Wichtig auch“, fügte Kimmich an, „wir haben nicht verloren, wir haben dem Druck insofern standgehalten, weil es ein Ergebnissport ist und wir das Resultat bekommen haben, das wir brauchten.“ In die Gesamtbewertung bezog Julian Nagelsmann den 2:1-Sieg vom Donnerstag in Mailand ein. Da war seine Mannschaft mit der Widrigkeit eines frühen Rückstands fertig geworden, hatte das Spiel gedreht. Die Erkenntnis aus beiden Partien in der Summe nannte er „Weltklasse“. Das, was man werden will. Nächste Möglichkeit dafür: das Halbfinale gegen Portugal in München (4. Juni).
GÜNTER KLEIN

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