Afra Hönig. © IMAGO/Henrich
München – Im sechsten Anlauf war es endlich so weit. Als nur noch gut 45 Sekunden auf der Uhr sind, springt Afra Hönig über glatte Tritte quer nach rechts und hält mit letzter Kraft den Griff in der Zwischenzone des ersten „Boulder“. Neben ihr schafft nur eine weitere Finalistin zu punkten, doch Hönig sammelt insgesamt mehr Punkte und holt sich damit Anfang März den Sieg beim Europacup in München.
Für die deutsche Meisterin von 2021 ist es der erste internationale Titel. „Es ist auf jeden Fall ein sehr toller und großer Erfolg für mich“ – der lange auf sich warten ließ. Die gebürtige Landshuterin war mit 29 Jahren fast schon der „alte Hase“ im Feld, ihre Konkurrentinnen, im Schnitt 20 Jahre alt, teils noch nicht einmal volljährig. „Bouldern ist ein relativ junger Sport, deswegen sieht es wohl so aus“, so Hönig. Ob ihr Alter ein Vorteil sein kann? „Ein bisschen Erfahrung ist natürlich gut. Du bist ruhiger und kennst verschiedene Situationen besser“, sagt das Kletter-Ass über ihre Disziplin, bei der es darum geht, bei einem festgelegten Kurs möglichst den Endpunkt zu erreichen und für die geschaffte Strecke entsprechend Punkte einzusammeln.
Viele ihrer Mitstreiterinnen aus der Anfangszeit haben irgendwann aufgehört, auch weil sie beruflich nach und nach mehr gebunden waren. Hönig, die Medizintechnik im Master studiert und zudem in der Sportfördergruppe der Bundeswehr ist, denkt noch lange nicht ans Karriere-Ende. Jetzt erst recht nicht. Zumal sich die Wahl-Münchnerin irgendwo im Hinterkopf auch noch ein Türchen für Olympia offen lässt.
Bisher war der Versuch einer möglichen Qualifikation nicht wirklich präsent, da ihre Lieblingsdisziplin Bouldern nur in der Kombination mit dem Lead-Klettern – dort wird mit einem Seil gesichert eine höhere Wand erklommen – angeboten wurde. 2028 in Los Angeles könnte sich das ändern. Ob sie dann den Versuch wagen würde? „Mal schauen, das hängt wirklich ganz stark von den Disziplinen ab, ich kann noch gar nicht sagen in welche Richtung es gehen wird.“
Zunächst einmal führt sie ihr Weg zurück ins Münchner Actionsportzentrum, die alte Eishalle im Olympiapark. Dort wird bei der Deutschen Meisterschaft (28. und 29. März) entschieden, wer Deutschland in der kommenden Weltcupsaison vertritt. Vergangene Saison hatte Hönig es in den Kader des Deutschen Alpenvereins geschafft. Ein Spaziergang durch die Routen wird es trotzdem nicht werden. „Nur weil ich jetzt gut war, heißt das nichts. Die Karten werden wieder komplett neu gemischt.“
DK