Endlich Trinken: Brauns Projekt soll auf Wasserknappheit in vielen Ländern hinweisen.
Allein in der endlosen Weite: Bei ihrem ersten längeren Solo-Lauf durch die Sahara Marokkos kommt auch die erfahrene Tanja Braun an ihre Grenzen. © tanjabraun.me (4)
Zehn Stunden Laufband: Die Vorbereitung war unglaublich hart.
Beachtliche Leistung: Braun nach zwei intensiven Wochen am Ziel.
Heidelberg – Tanja Braun ist seit vielen Jahren Extremsportlerin. Für ihr Lebensprojekt „Global Desert Race“ stellt sich die Heidelbergerin der außergewöhnlichen Herausforderung, zehn Wüsten in zehn Ländern allein zu durchqueren. Ihre erste Etappe durch die marokkanische Sahara hat Braun nach turbulenten zwei Wochen und mehr als 700 Kilometern am 11. März hinter sich gebracht. Im Interview mit unserer Zeitung verrät die 49-Jährige, wie es ihr dabei ergangen ist und was sie bewegt.
Frau Braun, Sie bereisen die fernsten Länder und Wüsten und laufen liebend gern unter extremen Bedingungen diverse Ultramarathons. Woher kommt diese Begeisterung?
Ich komme aus dem Leistungssport und bin früh, auch geprägt durch mein Elternhaus, auf Erfolg und Leistung aus gewesen. Wegen eines Burnouts im Jahr 2009 ist das aufgrund privater und beruflicher Umstände alles zusammengebrochen und ich stand vor der Frage: Wie geht mein Leben weiter? Ich war dann drei Jahre in unterschiedlichen Therapien. In dieser Zeit habe ich das Laufen angefangen und habe festgestellt, dass mir speziell das lange Laufen keine Energie nimmt, sondern ganz viel Kraft und Energie gibt.
Wann haben Sie entschieden: In der Stadt einen Marathon laufen ist langweilig, ich will lieber durch die Wüste rennen?
Die Wüste hat für mich schon seit ich klein bin eine große Faszination gehabt. Als ich dann das erste Mal in der Sahara gelaufen bin, habe ich mich so frei gefühlt und hatte überhaupt keine Ängste. Da wurde mir klar, dass das mein Terrain ist.
Am 25. Februar begann Ihr Lebensprojekt, das „Global Desert Race“. Den ersten Teil in Marokko haben Sie gemeistert. Sie sind vor solchen Reisen noch nervös?
Nervös bin ich immer, das ist auch gut so. Ich habe immer einen großen Respekt und ganz viel Demut, wenn ich die Sachen angehe. Das ist, wenn man sich dieser Natur aussetzt, ganz wichtig. Man braucht ein Bewusstsein dafür, dass man gerade in der Wüste läuft und das eben kein Straßenmarathon in Berlin oder Frankfurt ist.
Wie sieht die Vorbereitung aus?
Vor dieser Etappe lagen zwei intensive Monate. Ich war sechs Tage die Woche im Fitnessstudio und bin an jedem Tag eine simulierte Tagesetappe von zehn Stunden auf dem Laufband gelaufen. Mit sechs bis sieben Kilogramm schwerem Backpack auf dem Rücken, um alles genau zu inszenieren. Außerdem habe ich mich intensiv mit dem Terrain auseinandergesetzt, in dem ich laufen werde und habe mir mentale Strategien zurechtgelegt.
Wie geht man die ersten Stunden einer Wüstendurchquerung an? Liegt der Fokus vor allem auf dem Kraftsparen oder genießt man die Natur?
In der ersten Zeit geht es, wie Sie schon richtig gesagt haben, erstmal ums Energiesparen. Um über so eine lange Zeit überhaupt so laufen zu können, muss man schauen, dass man nicht direkt am Anfang über den Punkt geht, bei dem kleinere Entzündungen in den Sehnen entstehen oder die Muskulatur früh ermüdet.
Einsamkeit, Hitze, Durst oder die Naturgewalten – welche Herausforderung ist die größte?
Von allem ein bisschen. In dieser Etappe in der Sahara waren es tatsächlich vor allem die Naturgewalten, die ich mit drei Sandstürmen auch in voller Bandbreite abbekommen habe. Einer davon sogar mit einer Spitzengeschwindigkeit von 95 km/h. Wenn man dieser Gewalt dann acht Stunden ausgesetzt ist, ist das für den Körper aber auch mental wirklich eine Challenge. Das ist dann auch sehr laut und es kommen immer wieder starke Böen mit Sand auf dich zu. Man ist ununterbrochen damit beschäftigt, weiterzugehen und dem entgegenzuwirken. Das ist schon sehr zermürbend irgendwann. Thema Durst: In der Wüste wäre es fast gar nicht anders möglich, als dass ich mit einem Guide Punkte besprochen habe, an denen ich Hilfe bekomme und Wasserressourcen erneut auffüllen kann.
In solchen Momenten, während der Sandstürme, fragen Sie sich da manchmal: „was mache ich hier eigentlich?“
Diese Gedanken kommen, besonders in diesen Momenten, natürlich immer auf. Meine Strategie war dann immer, diesen Gedanken kaum einen Raum zu geben. Ich versuche, den Fokus möglichst schnell auf etwas anderes zu richten. Auch wenn mein Körper dann selbstverständlich sehr schnell müde ist und eigentlich keinen Bock mehr hat (lacht).
Mit Ihrem Projekt wollen Sie auch ein Zeichen für den bewussten Umgang mit Wasser und den Schutz fragiler Ökosysteme setzen. Warum?
Das ist schon ein Hauptantrieb von mir. Auch, um ein Stück weit zu zeigen, wie es den Menschen dort vor Ort geht. Bei dieser Etappe war ein bewegendes Ereignis, dass mich zwei Berber-Frauen im Ramadan zum Tee eingeladen haben, sie haben selbst nichts gegessen und getrunken aber mir Gastfreundschaft gewährt. Wir sind alles Menschen mit denselben Bedürfnissen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle Krisen schaffen, wenn wir nur darauf schauen, was uns verbindet, anstatt permanent danach zu suchen, was uns trennt.
Wird bei so einer Solo-Reise das Bewusstsein für die Schönheit der Natur und des Lebens noch intensiver geprägt?
Absolut. Wenn man auf so einer Düne steht und dann in die Ferne schaut, die Sonne und die Wärme spürt, das ist für mich pures Leben. Speziell in der Wüste ist der Kontrast zwischen dem Lebendigen und aber auch der Konfrontation mit der Endlichkeit und Kostbarkeit enorm groß. Da wird mir jedes Mal bewusst, dass unsere Zeit begrenzt ist und es gilt, sie zu nutzen.
Können Sie sich überhaupt vorstellen, dass Sie diese Läufe eines Tages nicht mehr machen können, sei es gesundheits- oder altersbedingt?
Im Moment kann ich mir das noch nicht vorstellen. Ich wünsche mir schon, dass ich auch bis ins hohe Alter noch laufen kann. Egal wie schnell, Hauptsache laufen. Ich weiß aber auch, dass ich sicherlich irgendwas finden werde, was mir ähnlich Energie und Kraft gibt, wenn ich das Laufen nicht mehr machen kann.
Und die Leute in Ihrem Umfeld haben sie schon angesteckt mit dem Laufen?
Nicht in der Form, in der ich das mache, aber ich denke schon, dass ich Menschen inspirieren und bewegen kann. Ich sage immer, jede Bewegung ist gut. Auch, wenn man in der Woche nur ein paar Kilometer läuft. Es muss ja nicht jeder gleich durch alle Wüsten rennen.
INTERVIEW: ELIAS EICHER