Paradiesvogel und Punktesammler

von Redaktion

Carsen Edwards ist der Star der Bayern-Basketballer – auf und neben dem Feld

Stammgast in den Edel-Boutiquen: Edwards (li.) verbringt seine Freizeit gerne mit „Shopping“. © Instagram

Gegen alle Widerstände: Edwards setzt sich auch dank seiner Physis in der intensiven Euroleague durch. © IMAGO

München – Natürlich war es wieder der kleine Mann, der voranging. Neulich gegen Partizan Belgrad, als die Basketballer des FC Bayern eine Halbzeit lang so gar nicht in die Partie finden wollten, hat Carsen Edwards die Dinge in die Hand genommen. Seine 25 Punkte waren ein ziemlich wesentlicher Grund dafür, dass die Münchner kurz vor dem Ende der Euroleague-Hauptrunde weiter vom direkten Sprung in die Playoffs träumen können.

So oder so ähnlich war es oft gelaufen in dieser Saison. Der 27-Jährige reicht die Verdienste artig weiter: „Es sind meine Mitspieler, die mich in diese Position bringen.“ Und doch: Mit durchschnittlich 19,9 Zählern hat sich Edwards in die illustre Kategorie der allerbesten Scorer der Euroleague bugsiert.

Eigentlich hatte Bayerns Ex-Coach Pablo Laso ja genau so etwas angekündigt, als man das 1,80-Meter-Kraftpaket im Sommer 2023 nach München lotste. Dieser Edwards, der sich in Boston und Detroit auch schon in der NBA versucht hatte, sei eine „Punktemaschine“. Heraus kam ein gespaltenes Bild. Ja, der Texaner punktete fleißig, rannte sich aber immer wieder eigensinnig fest. Auf und neben dem Feld pflegte er umsichtig das Bild des Paradiesvogels. Eines Mannes, der seine Fingernägel lackiert und seine Freizeit bevorzugt in den Edelboutiquen verbringt, die in seinem Wohnviertel rund um das Nationaltheater so zahlreich sind. Die Vorliebe für Taschen und Täschchen ist unübersehbar, wenn Edwards nach den Spielen durch die Arenen schlappt. Allerdings: Mit seinem Salär, dem Vernehmen nach monatlich im mittleren fünfstelligen Bereich, soll er anfangs an seine Grenzen gestoßen sein.

Das teure Hobby ist geblieben. Neben Netflix oder Disney+ – derzeit hat es ihm die Polit-Serie „Paradise“ angetan – lädt er seine Akkus gerne mit „Shopping“ auf. Doch Edwards hat seinen Weg gefunden. Auch sportlich war das so, wie sich vor allem in der bärenstarken Finalserie gegen Berlin zeigte. Die brachte ihm lukrative Offerten unter anderen aus Bologna ein. Doch Edwards entschied sich für den Wohlfühlfaktor. Und stieß mit Gordon Herbert wohl auf genau den Trainer, den er gebraucht hatte.

Der Kanadier ist bekannt dafür, dass er Ausnahmekönnern sein Vertrauen schenkt und sie von der Leine lässt. So wie bei der Nationalmannschaft, in der Kapitän Dennis Schröder nach Lust und Laune wirken konnte. Edwards ist so etwas wie der Bayern-Schröder. Er kann sich Würfe nehmen, wie er das für richtig hält. Alleine in der Euroleague hat er schon mehr als 500 in der Statistik. Im Vorjahr waren es nach 34 Hauptrundenspielen 356.

Was aber auch deswegen funktioniert, weil Edwards auch ein physisches Phänomen ist. Was ihm an Größe fehlt, hat er sich in seiner Karriere an Muskelmasse auftrainiert. Auch Co-Trainer T.J. Parker staunte: „Er ist ein Tier.“ Aber die Widerstandskraft des Guards wird bei den Bayern auch auf eine schwere Probe gestellt. Regelmäßig schuftet Edwards mehr als 30 Minuten. Pausen sind rar. Vergangenen Samstag in Würzburg ließ Herbert seinen Wirbelwind erst zum dritten Mal in dieser Saison außen vor. Klar, am Donnerstag (20.30 Uhr) wartet mit dem Auftritt in Belgrad, bei Maccabi Tel Aviv, das bislang wichtigste Auswärtsspiel der Saison. Das ist dann doch ein Moment, in dem der ansonsten zu kleinen Rotationen neigende Bayern-Coach das Risiko klein halten will.

Edwards selbst stört der Saison-Marathon nicht: „Basketball ist eben die Sache, die ich liebe.“
PATRICK REICHELT

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