Drei Grürtel hat Tina Rupprecht schon. © Kneffel/dpa
Augsburg/Potsdam – Außerhalb des Boxrings ist Tina Rupprecht leicht zu übersehen: 1,53 Meter klein, keine 50 Kilogramm schwer. In der Trainingshalle in Augsburg könnte sich „Tiny Tina“, so ihr Spitzname, problemlos hinter den vielen Sandsäcken verstecken. Doch der Schein trügt: Rupprecht ist eine der größten Boxerinnen derzeit, die Nummer eins ihrer Gewichtsklasse und hat bereits deutsche Sportgeschichte geschrieben. Und all das, obwohl sie als Teilzeitlehrerin nebenbei an einer Realschule arbeitet.
Am Samstagabend (22.30 Uhr/MDR) winkt nun der größtmögliche Triumph: In einem historischen Vereinigungskampf hat die 32-Jährige die Chance, sich als unangefochtene Trägerin aller vier großen WM-Gürtel feiern zu lassen. „Das ist das absolute Maximum, das im Profiboxen möglich ist. Ich will den Sieg, ich will die Beste der Welt sein“, sagt sie vor ihrem Titel-Duell im Atomgewicht. In der leichtesten Frauen-Klasse bis 46,2 Kilogramm tritt sie in Potsdam gegen die Japanerin Sumire Yamanaka an. Noch nie hatte vor iht eine Boxerin oder ein Boxer aus Deutschland gleichzeitig die Titel von drei großen Verbänden gehalten, geschweige denn alle vier.
Tina Rupprecht geht einen Weg, der für andere Athleten kaum vorstellbar ist. An der Realschule Zusmarshausen nahe Augsburg unterrichtet sie einmal pro Woche Sport, immer mittwochs. „Ich mag die Arbeit sehr gern mit den Kindern und Jugendlichen“, sagt sie. „Es ist eine andere Facette für mich, dass ich nicht die ganze Woche nur Tina die Boxerin bin. Sondern ich kann auch mal was anderes sein.“ An der Schule ist sie übrigens Frau Fritschi, wie sie nach der Hochzeit mit ihrem Mann Markus eigentlich heißt.
Noch in der vorigen Woche stand Rupprecht im Unterricht vor den Schülerinnen und Schülern, die ihr viel Erfolg wünschten für den größten Boxkampf ihres Lebens. „Vor allem die Kleinen sind immer echt süß, sie kommen und sagen: Ich habe Sie in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen“, erzählt sie. Auf die Frage, welche Auseinandersetzungen denn schwerer sind, jene als Boxerin oder jene als Lehrerin, antwortet sie grinsend: „Im Boxring tut es mehr weh.“
Dabei war es stets eher Rupprecht, die ihre Gegnerinnen dominierte. Von 16 Profikämpfen gewann sie 14 und kassierte nur eine Niederlage. Im Alter von zwölf Jahren war sie über das Kickboxen zum Boxen gekommen. Mit 15 machte sie für ihren Coach Alexander Haan, der sie auch heute noch trainiert, eine Collage und klebte ein Foto von sich nach einem Amateursieg darauf. Darunter schrieb die Teenagerin: „Ich will Weltmeisterin werden!“ 2018 war es dann soweit, Rupprecht holte ihren ersten WM-Titel im großen Verband WBC. Inzwischen wird es „langsam ein bisschen eng“ in Rupprechts kleinen Wohnung in Augsburg. Bislang hat sie Gürtel und Pokale im Schlafzimmer an der Wand ausgestellt.
Pläne für die Inneneinrichtung sind in dieser Woche aber ebenso verboten wie Träume von möglichen Rekorden – es zählt nur der Samstag. „Ich fange sie bei den Gedanken ein“, sagt Coach Haan und unterstreicht: „Es geht um den Kampf und nicht darum, Geschichte zu schreiben.“
DPA