Alle(s) im Griff: Giannikis-Nachfolger Patrick Glöckner, hier mit dem erstarkten Hobsch, hat einen Top-Punkteschnitt. © Sampics
„Die Kamerrradschaft…“: Die Löwen treten momentan als kämpfende (und feiernde) Einheit auf. © Sampics / S. Matzke
Winter-Volltreffer: Linksverteidiger Andy Lucoqui und Stürmer Dickson Abiama (l.) bereichern das Spiel der Löwen. © IMAGO
München – Patrick Glöckner bringt das Grinsen aktuell kaum mehr aus dem Gesicht. 16 Punkte aus den letzten sieben Spielen, acht Zähler Polster auf die Gefahrenzone nach dem 2:0 gegen Sandhausen am Mittwochabend. „Es macht einfach nur Spaß aktuell“, fasst der 1860-Coach treffend zusammen. Und das sind die Gründe für den Löwen-Aufschwung:
■ Trainereffekt
Als Sportchef Christian Werner nach dem verpatzten Rückrundenstart (0:4 in Saarbrücken) einen neuen Trainer suchte, war Patrick Glöckner nicht unbedingt die erste Wahl, aber motiviert genug, die „dornige Chance“ namens 1860 in die Hand zu nehmen. Mehr als zwei Jahre war er ohne Job, die Löwen schon genauso lange weg von den besseren Plätzen der Tabelle. Minus mal minus macht Plus heißt es in der Mathematik – für 1860 und Glöckner scheint Ähnliches zu gelten. Natürlich habe der Trainer „einen großen Anteil“ am Aufschwung, sagte Kapitän Jesper Verlaat nach der 5:1-Gala gegen Cottbus: „Die Mannschaft setzt das um, was er haben will. Keiner fällt ab, keiner lässt vom Einsatz her nach.“ Mit anderen Worten: Das enorme Potenzial, das in Werners Kader von Anfang an schlummerte – Glöckner weckt es. Mit einem Punkteschnitt von 1,75 (nach zwölf Spielen) steht der Giannikis-Nachfolger so gut da wie vor ihm zuletzt Michael Köllner (1,73) und Daniel Bierofka (1,75), zwei moderne Löwen-Heilige.
■ Teamgedanke
„Löwen-Fußball“, hatte Werner vor der Saison angekündigt, doch von den gewünschten Attributen – Biss, Zusammenhalt, Dynamik – war zunächst wenig zu sehen. Inzwischen ist der Löwen-Fußball nicht nur ertragreich, auf dem Platz steht auch eine Einheit, die das im Vereinslied besungene Sechzger-Mantra verkörpert. Stichwort: „Die Kamerrradschaft, die Kamerrradschaft…“ Kapitän Jesper Verlaat schwärmt: „Die Mannschaft ist füreinander da, bügelt die Fehler gemeinsam aus, jeder gibt alles.“ Bester Beweis: Selbst Ersatztorhüter René Vollath hat bereits vier Gelbe Karten kassiert, drei als (emotionaler) Bankdrücker. Weil es denen, die draußen sitzen, neuerdings nicht mehr egal ist, was die machen, die von Beginn an auf dem Platz stehen. Der erstarkte Torjäger Patrick Hobsch sagte nach dem Cottbus-Sieg: „Wir haben von der ersten bis zur letzten Minute eine extreme Energie auf dem Platz.“ Und eben nicht nur dort, sondern auch bei den übrigen Teammitgliedern.
■ Löwen-Mentalität
In der Benachteiligungstabelle von liga3-online.de belegen die Löwen einen Spitzenplatz. Strittige Strafstöße (9) und Platzverweise (4) häufen sich derart, dass Werner kürzlich mal wieder Alarm schlug. „Das ist kein fairer Wettbewerb mehr“, klagte der Sportchef nach der Niederlage in Osnabrück – und noch bevor 1860 gegen Cottbus erneut klar benachteiligt wurde. Die Reaktion der Mannschaft, als das Kozuki-Tor nicht zählte, obwohl der Ball 50 Zentimeter hinter der Linie lag? Sie machte unbeirrt weiter. 30 Minuten später stand es 3:0 – und das Spiel war vorentschieden. Auch das gehört zur neuen Löwen-Mentalität: Dass man Widerständen trotzt, keine Energie vergeudet, sondern einfach weiter Gas gibt. Oder wie Verlaat es ausdrückt: „Man kann natürlich lamentieren und denken: Wahnsinn! Ich glaube aber, wir legen direkt danach drei Dinger rein – und auch vollkommen verdient.“ Schon drei Spiele hat 1860 unter Glöckner nach Rückstand gewonnen – auch das ist Ausdruck des neuen Muts, den der Trainer dem Team einimpft.
■ Winterneuzugänge
Dreimal legte Werner im Winter (notgedrungen) auf dem Transfermarkt nach. Besonders Mentalitätsmonster Anderson Lucoqui (quält sich trotz Knorpelschaden durch die finale Saisonphase) und Offensivkünstler Dickson Abiama (drei Torbeteiligungen in den letzten vier Spielen) schlugen voll ein. Kampflöwe Philipp Maier kommt derzeit zwar nicht am Duo Deniz/Jacobsen vorbei, hat seinen Wert für 1860 aber auch bereits gezeigt.
■ Ruhe im Verein
Politikchaos bei den Löwen ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Doch in dieser entscheidenden Saisonphase halten sich alle Parteien vorbildlich mit politischen Statements in der Öffentlichkeit zurück. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass sich das bald wieder ändert: Präsidentenwechsel, Stadiondebatte und Mueller-Verhandlung – Themen, die den Löwen bald wieder beschäftigen werden.
■ Heimstärke
Lange Zeit in dieser Saison hatten die Löwen die Rote Laterne in der Heimtabelle inne. Mit teilsweise grausamen Leistungen vergraulten die Sechzger nicht wenige Dauerkartenbesitzer aus dem Grünwalder Stadion. Der Aufschwung ist auch eng mit der neu gewonnenen Heimstärke von 1860 verknüpft. Vier Siege in Folge konnte die Glöckner-Elf zuletzt in Giesing feiern – Balsam auf die geschundenen Fan-Seelen.
M. BLANCO UCLES, U. KELLNER