Mit dem Rücken zur Wand: Endet die Reise in der Königsklasse für Kimmich und Co. in Mailand? © Perenyi/Imago
Mailand – Wunderbarer Sonnenschein, beste Laune auf dem Platz und am Flughafen, dazu vom Trainer höchstpersönlich attestierte Tugenden wie „Energie, Zusammenhalt und Glaube“ sowie Glücksbringer Manuel Neuer im Gepäck: Rein äußerlich betrachtet, machte der Tross des FC Bayern auf dem Weg nach Mailand den Eindruck von Friede, Freude, Eierkuchen. Noch ist nur das Hinspiel mit 1:2 verloren, noch sind mindestens 90 Minuten zu gehen, noch müssen wir „nur ein Fußballspiel gewinnen“, sagte Thomas Müller stellvertretend vor dem Viertelfinal-Rückspiel bei Inter. Aber spätestens bei der Landung der Maschine LH 2570 am späten Nachmittag, als der italienische Himmel mehr weinte als lachte und es gehetzt zur Pressekonferenz ging, konnten alle Beteiligten merken, dass dieser Trip keine Freizeitreise ist. Im legendären San Siro wartet an diesem Mittwoch (21 Uhr) ein großes Stück Arbeit.
Wie groß es ist, ob man ein Wunder wie 1988 braucht oder nicht: Daran schieden sich in den vergangenen Tagen und auch am Reisetag die Geister. „Meine Zuversicht ist sehr groß“, sagte Max Eberl im Terminal 2 des Münchner Flughafens, ehe auch er in den Tunnelmodus schaltete. „Bayern München ist immer in der Lage, Spiele auch auswärts zu gewinnen.“ Anders sah es Karl-Heinz Rummenigge, der in der „Gazzetta dello Sport“ mit folgenden Worten zitiert wurde: „Meiner Meinung nach braucht es nach dem Ergebnis des Hinspiels in München ein kleines Wunder für Bayern, denn Inter hat sich als starke Mannschaft präsentiert.“ Nichts sei unmöglich: „Aber für mich ist Inter der Favorit auf das Weiterkommen.“ Wumms!
Während die meisten Bayern lieber nur noch nach vorne blickte, erinnerte Rummenigge noch mal an vergangene Woche und das „unnötig verlorene Hinspiel“. Weil man nach dem Ausgleich durch Thomas Müller „gepusht“ habe, „haben wir ein Tor kassiert, das uns womöglich teuer zu stehen kommen könnte“. Es diesmal anders zu machen – und vor allem die zuletzt verloren gegangene Balance zwischen Offensive und Defensive wieder herzustellen –, wird gegen das abgezockte Inter und die emotionalen Fans die große Aufgabe sein. Weil die Abwehr nach wie vor dezimiert ist, richtet sich der Blick vor allem auf die Offensive und die jüngst maue Bilanz: Zwei Spiele, 48 Torschüsse, drei Tore.
„Es wird wieder eine Phase kommen, wo wir die Tore machen – ich bin überzeugt, es beginnt am Mittwoch damit“, sagte Sportdirektor Christoph Freund. Auch Joshua Kimmich, der nach dem 2:2 gegen den BVB und dem vergebenen Matchball um die Deutsche Meisterschaft am Samstag angefressen wirkte, betonte: „Wenn wir ein bisschen effizienter sind, kann das Spiel in unsere Richtung laufen.“ Jedem ist bewusst: Hätte man hinten besser gemauert und vorne besser geballert, sähe die Bayern-Welt nun anders aus. So aber steht man mit dem Rücken zur Wand. „Die Mannschaft muss über sich hinauswachsen und wird das auch tun“, sagte Uli Hoeneß. Trainer Kompany sieht das „Feuer“ in seinem Team, in dem wohl wieder Thomas Müller hinter Harry Kane auflaufen wird.
Und der Ehrenpräsident hat zudem passende Beispiele aus der Clubgeschichte im Kopf. Vier Mal waren die Bayern bisher zu Gast bei Inter, vier Mal gingen sie als Sieger vom Platz. Heißt für Mittwoch: Mindestens die Verlängerung ist drin. Auf dem Bankett im Mannschaftshotel „Melia Milano“ soll dann wirklich „Friede, Freude, Eierkuchen“-Stimmung herrschen.
Fehlen wird dann allerdings Präsident Herbert Hainer, der sich bei einer Sporteinheit das Wadenbein gebrochen hat. 
HANNA RAIF, VINZENT TSCHIRPKE