Der Riese, der sein Gedächtnis verlor

von Redaktion

Ex-Rugby-Star Chabal leidet unter Folgeschäden – die Geburt seiner Tochter hat er vergessen

Paris – In seiner aktiven Karriere war Sébastien Chabal bekannt für seine Härte, seine Brutalität, seinen furchteinflößenden Auftritt. Ohne Rücksicht auf seine Gegner und sich selbst ging der muskelbepackte Franzose in seine Zweikämpfe. Nicht selten verlor ein Gegner bei einem Zusammenstoß das Bewusstsein, häufig bekam auch Chabal selbst Wirkungstreffer gegen den Kopf. Die Spätfolgen für die „französische Bestie“ sind dramatisch.

„Ich erinnere mich an keine einzige Sekunde eines Rugbyspiels, das ich gespielt habe“, gestand der 47-Jährige in einem Interview. Chabal scheint elf Jahre nach dem Karriereende den Preis für seinen Einsatz auf dem Feld zu zahlen. Einen Neurologen will der Ex-Nationalspieler nicht aufsuchen. „Was soll man machen, mein Gedächtnis kehrt nicht zurück“, sagte Chabal lapidar. Und das, obwohl selbst persönliche Erlebnisse aus seiner Erinnerung gelöscht sind – wie etwa die Geburt seiner Tochter.

Im Rugby ist das Problem der Hirnschäden lange bekannt – wie auch im American Football, Kampfsport oder Fußball. 2020 konnte sich der Engländer Steve Thompson in einer TV-Doku nicht an die Namen seiner drei Kinder erinnern. Im selben Jahr erhob er mit über 300 weiteren Rugby-Spielern Klage gegen den englischen und walisischen Rugby-Verband sowie den Weltverband. Die Spieler seien nicht ausreichend vor den Risiken von Gehirnerschütterungen geschützt worden – Urteil offen.

Doch im Rugby hat sich einiges getan: Spieler, bei denen Verdacht auf Gehirnerschütterung besteht, werden aus dem Spiel genommen und untersucht. Darüber hinaus steht eine Senkung der Tackling-Grenze im Raum. Aktuell sind Tacklings nur unterhalb der Schultern erlaubt, zur Diskussion steht eine Verschiebung dieser Linie nach unten. Laut einer Uni-Studie könnten so die Kopf-an-Kopf-Kontakte um 45 Prozent verringert werden.
SID

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