„Wir waren freier als die Jungs heute“

von Redaktion

Kühnen und Shelton über die Tour-Zeit, Siege über Stich und Sohn Ben

Wollte zuerst NFL-Spieler werden: Ben Shelton. © IMAGO/Lackovic

Gute Laune: Patrik Kühnen (li.) , Bryan Shelton (re.) und Redakteur Mathias Müller. © Dagahs/ATP

München – Früher waren sie Konkurrenten, heute lachen sie gemeinsam auf der Clubterrasse des MTTC Iphitos. Unsere Zeitung hat Turnierdirektor Patrik Kühnen (59) und Bryan Shelton (59), Papa und Trainer von Ben Shelton, zum Gespräch gebeten.

Bryan, Sie haben 1989 in München gewonnen. Erinnern Sie sich noch?

Shelton: Es war in der Halle auf Teppich. Ich war sowieso in Deutschland, bei meinem Bruder, der mit der Army in Heidelberg stationiert war. Ich war am Knöchel verletzt und hatte seit einer Woche keinen Ball mehr geschlagen. Aber überredete mich, zu spielen. Es war ein überraschender Erfolg und eine tolle Erinnerung.

Wie sehen Sie die Auftritte Ihres Sohns hier?

Shelton: Ich bin sehr zufrieden. Auf Sand zu spielen, ist für ihn immer noch Neuland.

Das liegt daran, dass er bis vor zwei Jahren nur in den USA auf Hartcourt gespielt hat. Warum?

Shelton: Ben hat erst spät mit Tennis begonnen. Er hat Football gespielt, war ein guter Quarterback und wollte in die NFL. Mit zwölf Jahren wollte er dann plötzlich Tennisturniere spielen. Spät war er im Uni-Team in Florida, das ich trainiert habe. Das Ziel war aber nie, dass Ben Profi wird. Dafür war er damals auch noch gar nicht gut genug.

Wie gut war Patrik?

Shelton: Oh, er war einer der großen, starken Deutschen. Becker, Stich, Mronz, Karbacher, es gab so viele von ihnen.

Kühnen: Ich weiß noch, dass unsere Spiele eng waren.

Es gab drei davon, immer mit Tiebreaks. Sie haben aber nur eines gewonnen.

Kühnen: Immerhin (lacht). Aber ich war nicht der Einzige, der gegen ihn verloren hat. Bryan, du hast Michael Stich 1994 in Wimbledon geschlagen, richtig?

Shelton: Ja, in der ersten Runde, das weiß ich noch gut. Michael lächelte schon beim Münzwurf. Er dachte, er schlägt mich locker. Tja, er hat in drei Sätzen verloren. Danach hat er in der Presse gesagt: „Von 100 Spielen gegen Bryan Shelton gewinne ich 99.“ Aber eben nicht dieses (lacht).

Kühnen: Das hat er gesagt?

Shelton: Ja. Beweisen konnte er es nur nicht mehr. Wir sind nicht mehr aufeinandergetroffen.

Kühnen: Zu Michaels Selbstvertrauen fällt mir noch eine andere Geschichte ein. Wir standen 1993 im Davis-Cup-Finale gegen Australien. Nach den Einzeln stand es 1:1, ich habe mit Michael dann das Doppel gegen die „Woodies“ gewonnen. Aber am Morgen des dritten Tags saßen alle nervös beim Frühstück. Michael war unsere Hoffnung, das andere Einzel Göllner gegen Stoltenberg war sehr offen.

Was passierte?

Kühnen: Michael kam rein, lächelte, nahm sich Rühreier und sagte: „Leute, entspannt euch, genießt euer Frühstück. Ich mache das, wir gewinnen das Ding heute.“ Richard Fromberg wusste später gar nicht, wie ihm geschieht. Michael gewann glatt in drei Sätzen.

Shelton: Er hatte eine wahnsinnige Präsenz.

Kühnen: Kennst du die Geschichte vor dem Wimbledon-Finale 1991 gegen Boris?

Shelton: Nein, schieß los.

Kühnen: Michael ging in der Umkleide auf ihn zu, umarmte ihn und sagte: „Hey, toll, dass heute zwei Deutsche im Wimbledon-Finale stehen. Lass uns ein gutes Spiel haben.“ Boris wusste gar nicht, wie ihm geschieht. Der war völlig verärgert. Dabei hatte es Michael nur nett gemeint.

Shelton (lacht): Das ist zu gut. Ben und ich haben Boris kürzlich in Monte Carlo getroffen. Ben fragte ihn unbedarft, wie oft er das Turnier gewonnen hätte. Boris sagte darauf nur: „Nächste Frage. Die beantworte ich nicht.“

Kühnen: Weil er dort nie gewonnen hat (grinst). Obwohl er zweimal im Finale war, einmal sogar mit Matchball gegen Thomas Muster. Er ging beim zweiten Aufschlag volles Risiko – haarscharf ins Aus.

Shelton: Hach, so viele Erinnerungen. Früher war alles weniger professionell. Wir waren freier als die Jungs heute und sind nicht mit so großen Teams gereist. Wer es sich leisten konnte, hatte einen Trainer.

Wie oft wird Ben in den kommenden Jahren nach München reisen. Gibt‘s einen Deal zwischen den alten Kumpels?

Kühnen: Es ist eine Ehre für uns, dass Ben hier spielt. Er hat unglaublich viel Potenzial und ist für mich einer, der die Tour prägen wird. Aber noch viel wichtiger war mir, dass Bryan kommt. Aber klar, Ben ist jederzeit herzlich willkommen (grinst).

Bleibt noch die Frage nach Bens Doppelpartner hier. Rohan Bopanna ist 45, habt Ihr noch gegen ihn gespielt?

Shelton: Ich habe 1997 aufgehört, ich glaube, er kam ein Jahr später fest auf die Tour. Sein Trainer Scott Davidoff ist ein alter Freund von mir. Rohan hat noch jemanden gesucht. Natürlich wollten wir, Ben kann noch viel von ihm lernen.


INTERVIEW: MATHIAS MÜLLER

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