„Max kann sich ein Team aussuchen“

von Redaktion

Franz Tost im Interview über die Probleme bei Red Bull und den WM-Kampf

Franz Tost mit Verstappen. © IMAGO/HOCH ZWEI

Dschidda – Franz Tost (69) gilt als einer der größten Kenner der Formel 1-Szene. Er arbeitete mit Fahrern wie Michael und Ralf Schumacher, Sebastian Vettel oder Max Verstappen zusammen. Der Tiroler war Cheflogistiker bei Williams-BMW, dann fast 20 Jahre Teamchef beim Red-Bull-Juniorteam, das heute Racing Bulls heißt. Ende vergangenen Jahres ging er in Rente, ist aber immer noch als Berater bei Red Bull tätig und nun bei uns im Interview.

Kommen wir gleich zur Sache! Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, dass Max Verstappen sich sein Team aussuchen könnte, sollte er Red Bull verlassen. Herr Tost, aus Sicht eines Teamchefs: Was macht ihn so besonders?

Max ist vom natürlichen Speed her den anderen überlegen. Und zweitens ist er vom Kopf her so stark, dass er sein übernatürliches Talent im entscheidenden Augenblick umsetzen kann. Aber erst mal bringt Red Bull in Imola ein großes Update, um das Auto entscheidend zu verbessern. Fest steht: Max ist in einer Position, in der er sich ein Team aussuchen kann. Ich denke, jeder würde ihn gern verpflichten, weil er einfach drei Zehntel pro Runde schneller ist als alle anderen. Sollte er wechseln, gibt es verschiedene Teams, Mercedes steht an erster Stelle, aber auch Aston Martin kann für ihn interessant sein.

Warum die beiden?

Mercedes zeigt hervorragende Leistungen. Natürlich muss Mercedes sich überlegen, ob man Max holt, weil ja im Moment George Russell toll performt. Aston Martin ist für mich persönlich der Favorit. Der Grund: Ich glaube, dass Aston das Team der Zukunft sein wird. Sie haben sehr, sehr gute Leute geholt, unter anderem Adrian Newey und Andy Cowell. Newey ist für mich der beste Techniker, und er hat eine immense Erfahrung. Und Cowell hat damals für BMW den legendären Zehnzylinder gebaut, der bei weitem der beste Motor damals war. Aston Martin hat also den besten Mann auf dem Fahrzeugsektor und den besten Mann beim Antriebsstrang.

Glauben Sie, dass Max überhaupt wechselt?

Man muss abwarten, wie das Update in Imola funktioniert. Die Saison ist noch lang. Aber, es stimmt, die Abgänge sind schon extrem. Newey, Rob Marshall, übrigens auch einer besten Techniker in der Königsklasse, der McLaren jetzt stark gemacht hat, oder Jonathan Wheatley und viele andere hinterlassen eine große Lücke.

Ist Verstappen so gut, weil der Red Bull auf ihn zugeschnitten ist oder würde er auch wie Michael Schumacher oder Ayrton Senna mit einem anderen Auto dominieren?

Max Verstappen würde auch mit einem Traktor gewinnen! Ein Beispiel: Letztes Jahr machte Max einen Test mit einem Ferrari-GT-Rennwagen. Er war damit sofort zwei Sekunden schneller als der Rest. Der Max hat ein unglaubliches Gefühl für ein Auto, egal welches. Er würde deshalb sofort mit jedem Formel-1-Auto zurechtkommen.

Was würde es von der technischen Seite als Entwicklung kosten, um die drei Zehntel zu finden, die Max Verstappen von vornherein mitbringt?

So einen Schritt gelingt dir ja normalerweise nicht mit einem Update. Es sei denn, du findest mal per Zufall ein Wunderteil. Normalerweise dauert es sehr lange, um dein Auto diese 0,3 Sekunden pro Runde schneller zu machen. Übers Jahr hochgerechnet kostet das zehn Millionen. Mindestens.

Ist Verstappen der beste Formel-1-Pilot aller Zeiten?

Solche Vergleiche wären unfair. Egal ob Fangio, Senna, Stewart, Lauda, Schumacher, Vettel oder Hamilton – was alle gemein haben: Sie hatten alle Supertalent, eine extreme Leidenschaft und Disziplin und waren in ihrer Zeit die besten. Ich behaupte deshalb auch, dass ein Fangio genauso auch heute vorne mitfahren würde wie die anderen ebenso in der Formel 1 zu Fangios Zeiten.

Kommen wir zu aktuellen Situation. McLaren hat das beste Auto. Wie bewerten Sie den Zweikampf zwischen Norris und Piastri?

Grundsätzlich hat McLaren ein Luxusproblem. Sie haben das beste Auto, zwei sehr gute Piloten und ihr einziges Ziel ist, die Konstrukteurs-WM zu gewinnen. Deshalb werden sie beide bis zu einem gewissen Punkt gegeneinander fahren lassen. Ich denke, Piastri wird sich durchsetzen. Er ist mental wesentlich stärker und hat in diesem Jahr eine Riesenchance, die WM zu gewinnen.

Sie sagen, ein Superfahrer kann sich schnell an neue Autos anpassen. Was ist bei Lewis Hamilton und Ferrari los?

Der Ferrari ist momentan zwei bis drei Zehntel zu langsam. Hamilton zeigte beim Sprint in China, wozu er fähig ist, wenn alles passt. Er lernt jeden Tag mehr mit dem Auto.

War es clever von Hamilton, offen über die Probleme zu reden?

Warum sollte er das verheimlichen? Es zeigt, wie komplex es geworden ist. Auch Sainz hat noch Probleme bei Williams. Weil er den Ferrari-Motor gewöhnt ist. Der Mercedes im Williams hat einen völlig anderen Charakter.


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