Brennt auf die Rückkehr: Alphonso Davies. © IMAGO
München – Mittendrin kann Alphonso Davies aktuell nicht sein, aber voll dabei ist er allemal. So verfolgte der Kanadier das 2:2 des FC Bayern gegen Inter Mailand vergangene Woche zwar nicht vor Ort, aber mit zwei Freunden zuhause – und ließ die Fans auf seinem Twitch-Kanal live an seinem Leid teilhaben. Zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Wut pendelten die Gefühle beim Champions-League-Aus seines Clubs; man merkte dem verletzten Verteidiger in jeder Sekunde an, wie gerne er selber auf dem Platz gestanden hätte. Das allerdings ist nicht möglich – und wird nach seiner Kreuzband-Operation auch noch mehrere Monate nicht möglich sein. Und trotzdem ist Davies ein Dauer-Thema in den oberen Etagen an der Säbener Straße.
Denn der kanadische Verband (Canada Soccer) bleibt den Münchnern auch knapp vier Wochen nach der ersten Aufforderung den vollständigen Bericht zur Davies-Verletzung immer noch schuldig. Trotz öffentlicher Unschulds-Beteuerungen der Offiziellen wartet der FC Bayern bis heute auf ein belastbares Dokument, in dem die Vorgänge rund um die Verletzung des Verteidigers lückenlos aufgeklärt werden. Und hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand fragen sich manche: Warum dauert es so lange? Hat der Verband etwas zu verbergen?
Zumindest stößt das Verhalten der Verbands wieder einmal auf Unverständnis. Die Geduld an der Säbener Straße, sie schwindet jedenfalls, und so erneuerte Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen nach unseren Informationen in diesen Tagen noch einmal mit Nachdruck die Forderung nach dem umfassenden medizinischen Report beim kanadischen Verband, für den Davies beim 2:1 gegen die USA im März auflief, bevor er in der zwölften Minute unter starken Schmerzen vom Feld musste.
Wie groß die Wut der Bayern über die schlechte Kommunikation und die noch schlechtere medizinische Versorgung des Verbandes war und ist, hat Dreesen bereits vor Wochen ausgeführt. „Es kann nicht sein, dass ein Spieler, der in der sechsten Minute ausgewechselt wurde, auf einen 12-Stunden-Flug geschickt wird – ohne eine Bandage und ohne einen Kreuzbandriss festzustellen“, hatte der Bayern-Boss gesagt und sich auch rechtliche Schritte vorbehalten. Der Unmut ist noch verständlicher, wenn man die jüngsten Aussagen von Davies heranzieht. „Mein ganzes Bein war taub. Vom Knie bis zum Knöchel. Ich wälzte mich vor Schmerzen herum“, sagte der 24-Jährige. Trotzdem ließ der Verband ihn den interkontinentalen Flug antreten, ohne vorher ein MRT anfertigen zu lassen. Der Vorwurf der Bayern: unverantwortlich!
Das Gegenteil zu beweisen, die eigene Sicht der Dinge zu schildern – das ist seit vier Wochen die Aufgabe des Verbandes. Die Bayern ihrerseits bleiben hart. Sie wiegeln Gespräche keineswegs ab, haben aber das angebotene persönliche Vorsprechen von Generalsekretär Kevin Blue in München ausdrücklich abgelehnt, solange eine schriftlich fixierte Gesprächsbasis fehlt. Die Haltung der Vorstandsetage ist klar: Erst wenn die Dokumentation vorliegt, können nach eingehender Analyse weitere Schritte besprochen werden. Ohne belastbare Aussagen und echte Transparenz kann sich der Fall immer noch in alle Richtungen entwickeln, auch der Rechtsweg ist nach wie vor nicht ausgeschlossen.
Auch Bundestrainer Jesse Marsch, der vergangene Woche als Experte von „Sky Austria“ in der Gegend war, hat nicht bei Bayern vorgesprochen. Vielmehr versuchte es der 51-Jährige mit einer Charme-Offensive. „Wir werden die Gelegenheit nutzen, uns kennenzulernen und unsere Kommunikation und unsere Überzeugung zu stärken“, sagte er „The Athletic“ in Richtung der Bayern – und adelte Davies als den „besten Athleten, den ich je trainiert habe“. Seine Prognose: „Er wird stärker und besser zurückkommen.“ Fortsetzung folgt …
P. KESSLER, H. RAIF