Das Roth-Ziel – hier soll der Triathlon enden: © IMAGO/Hilger
260 Watt für eine Minute – bei 380 war Schluss.
Hier wird alles beginnen: Die 3,8 km werden im Kanal geschwommen. © IMAGO/Gold
Redakteur Mathias Müller während eines Tests zur Ermittlung seiner Leistungsschwelle auf dem Rad. © Privat (2)
Sie sagt: Irgendwas tut ihm immer weh
Seit rund einem halben Jahr trainiert mein Mann für einen Ironman. Der Schlüssel liegt – wie in jeder Ehe – in der Kommunikation. Das „er sagt, sie sagt“-Spiel beherrschen wir in Perfektion: Er „geht auf die Rolle“ bedeutet nicht etwa, dass er vor hat feiern zu gehen. Vielmehr verschwindet er auf seine Höllenmaschine im Keller. Wenn er sagt, er habe an seinem freien Tag die Wäsche gemacht, so ziert mit Sicherheit ein ästhetisch wenig ansprechender Klamottenberg „dekorativ“ unser Wohnzimmer. Bei Aussagen wie „ich geh kurz mal ne kleine Runde laufen“ erwarte ich ihn nicht mehr schnell zurück. „Klein“ ist für einen Triathleten relativ.
Ein Kurztrip nach Südtirol? Was für mich ein Urlaub ist, stellt für meinen Mann die Chance dar, richtig Höhenmeter zu machen. Die Frage, ob er ein Fahrrad mitnimmt, stellt sich nicht. Vielmehr welches? Mountainbike, Rennrad, Zeitfahrrad – was für den Laien nach einer profanen Entscheidung klingt, muss wohl durchdacht sein.
Immerhin: Wenn er abends verliebt schmunzelnd in sein Handy blickt, dann steckt da keine andere Frau dahinter. Meist sind es Läufe oder Fahrradausfahrten seiner Triathlon-Kumpels, die er über seine Garmin-Verbindung verfolgen kann und die seinen Ruhepuls aus dem Takt bringen. Nicht mal seine totlangweiligen Triathlon-Podcasts vermögen die Euphorie zu bremsen.
DAS Thema aller „Ich-besitze-nur-3%-Körperfett“-Triathleten ist ironischerweise die Verpflegung, wie ich dank (!) Podcast weiß. So verfügen wir in unserer Küche über ein breites Spektrum an Gels, Power-Bars, Carb-Pülverchen, Elektrolyten, Protein-Shakes und vielem mehr. Wichtig: Gel ist nicht gleich Gel.
Vielleicht hört man es schon raus? Neben guter Kommunikation ist vor allen Dingen Geduld vonnöten. Die Anzahl seiner MRT-Termine wächst proportional zu den Trainingsumfängen. Physio, Osteopathie oder Calls mit seinem Trainer – es ist schwer da noch den Überblick zu behalten. Wenn er zu Hause ist, finde ich ihn beim Stabi-Training, Stretching oder – noch wahrscheinlicher – beim Körperteil-Kühlen vor. Irgendwas tut ihm immer weh und apropos guter Kommunikation: Nein, sein Körper will ihm bestimmt nichts sagen!
Zum Glück sind wir, also ich und unsere beiden Töchter, dann doch deutlich leidensfähiger und ausdauernder als die Sehnen und Bänder meines verrückten Ehemanns. Dennoch: Wir stehen natürlich zu 100 Prozent hinter unserem „Iron-Hias“ und sind insgeheim auch ein bisschen stolz auf ihn. Deshalb: Weiter quälen, Schatz!
Er sagt: Urlaub? Das ist ein Trainingslager!
Ich muss zugeben, nicht alles verläuft reibungslos. Schulter, Wade, Rücken – es zwickt hier und da. Aufgeben ist aber keine Option, es sind ja noch neun Wochen (Nur noch so wenig?) bis zum Startschuss in Roth. Also: durchziehen!
Dass meine drei Damen den Zauber von 5-Stunden-Ausfahrten auf dem Bike und 90-minütigen Läufen im Winter nicht erkennen können, kann ich – verstehen. Bräuchte ich auch nicht immer. Aber wer ein Ziel hat… Außerdem: Stundenlanges sporteln – spannend, was da im und mit dem Körper so passiert. Frau Müller macht sich oft lustig über meine „Verpflegung“. Klar, Energiegel sind nicht die Erfüllung, aber ein Stück Kuchen nach 100 km Radfahren – der Himmel!
An Ostern ging es ein paar Tage nach Südtirol. Urlaub – nennen das drei Viertel unserer Familie. Kurz-Trainingslager – denkt der Ausdauer-Wahnsinnige und durchsucht im Vorfeld bei Komoot bereits mögliche Strecken. Endlich entspannt Zeit für die Einheiten. Denn das Training in den Alltag einzubauen, ist sicher einer der größten Herausforderungen. Eine andere ist der Kopf. Interessant: Einmal drin in der Szene, kommen einem verrückte Umfänge gar nicht mehr so abwegig vor. 100 km auf dem Rad? Ein Klacks! Kürzlich dachte ich mir, ich könnte vielleicht irgendwann einmal schwimmend die 100×100 Meter in Angriff nehmen. Ich bin über mich selbst erschrocken. 10 km? So bekloppt bin ich noch nicht.