Flavio Briatore ist wieder der starke Mann an der Boxenmauer. © Cacace/AFP
Köln – Vom Ausgeschlossenen zum Big Boss: Der skandalumwitterte Strippenzieher Flavio Briatore ist in der Formel 1 zurück an den Hebeln der Macht. Beim ebenso ambitionierten wie chronisch erfolglosen Alpine-Rennstall soll der 75-jährige Italiener aufräumen, nach dem Aus von Teamchef Oliver Oakes am Dienstagabend ist der bisherige Chefberater Briatore an die Spitze des Teams gerückt – und ersetzte gleich am Mittwochmorgen den enttäuschenden Rookie Jack Doohan durch Ersatzfahrer Franco Colapinto.
„Da das Fahrerfeld in diesem Jahr so ausgeglichen ist und das Team ein konkurrenzfähiges Auto hat, das es in den letzten zwölf Monaten deutlich verbessert hat, sehen wir die Notwendigkeit, unsere Fahrerbesetzung zu wechseln“, erklärte Briatore. Colapinto darf sich nun fünf Rennen lang als zweiter Pilot neben dem erfahrenen Pierre Gasly zeigen, dann werde der Rennstall eine „Neubewertung“ vornehmen.
Der Fahrertausch ist keine Sensation, schon seit Colapintos Verpflichtung wurde heftig darüber spekuliert, wenn nicht gar damit gerechnet. Der 21-jährige Argentinier fuhr in der abgelaufenen Saison bereits neun (teils überzeugende) Rennen für Williams, und er bringt Sponsorengelder in angeblich zweistelliger Millionenhöhe mit. Mick Schumacher, der am Samstag beim 6-Stunden-Rennen der Langstreckenserie WEC wieder für Alpine am Steuer sitzt, hingegen wurde erneut nicht berücksichtigt.
Briatores Rückkehr an die Spitze eines Formel-1-Rennstalls ist sehr viel bemerkenswerter, war sie doch vor ein paar Jahren noch kategorisch ausgeschlossen. Schließlich ist Lebemann Briatore, der Michael Schumachers Benetton-Teamchef bei den WM-Triumphen 1994 und 1995 war und der aus einer kurzen Beziehung mit Heidi Klum Tochter Leni hat, für das „Crahgate“ verantwortlich – einer der größten Skandale der Formel 1.
Beim Großen Preis von Singapur 2008 befahlen der damalige Renault-Teamchef Briatore und Technikchef Pat Symonds ihrem Fahrer Nelson Piquet jr., einen Crash zu fabrizieren – der perfide Plan ging voll auf: Teamkollege Fernando Alonso avancierte bei der anschließenden Safety-Car-Phase zum großen Profiteur, aus den Untiefen des Mittelfeldes holte sich der Spanier den Sieg.
Nach der Zieldurchfahrt begann das Gemauschel: Hatte Alonso einfach unverschämtes Glück? Oder wurde das Rennen auf beispiellose Weise manipuliert? Piquet packte aus, nachdem er 2009 entlassen wurde – nach FIA-Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen wurden Symonds und Briatore gesperrt, der Italiener sogar lebenslang.
Doch Briatore, der eine irrwitzige Karriere vom Gelegenheitsjobber zum Nachtklubbesitzer sowie Benetton- und später Renault-Teamchef hingelegt hatte, wollte sich nicht aus seiner Formel 1 vertreiben lassen. Er klagte, bis ein Gericht seinen Ausschluss auf unbestimmte Zeit für unrechtmäßig erklärte.
2024 holte Renault-Geschäftsführer Luca de Meo die persona non grata zurück in den Formel-1-Zirkus. Womöglich, das legt die Beförderung Briatores vom Dienstag nahe.
SID