Die Suche nach dem Rausch

von Redaktion

Deutschland baut bei der Eishockey-WM auf Teamgeist und Ruhepol Kreis

Erwartungsvoller Blick: Harold Kreis (66) führt das DEB-Team an. © Perenyi/Imago

Herning – Eine verpatzte Generalprobe und hohe Erwartungen vor dem WM-Start bringen Eishockey-Bundestrainer Harold Kreis überhaupt nicht aus dem Konzept. Der 66 Jahre alte Coach gilt als der Ruhepol beim Vizeweltmeister von 2023. Nicht nur seine Ausstrahlung hat die Nationalmannschaft auf eine neue Ebene gehoben. Eine außergewöhnliche Team-Chemie unter Kreis machte aus einem früheren Underdog einen Medaillenanwärter.

„Wir haben eine gewisse Vorstellung, was für eine Kultur in der Mannschaft herrscht. Die Spieler sollen gerne zur Nationalmannschaft kommen, sich auf ihre Aufgaben konzentrieren und Spaß haben. Das ist alles gegeben“, sagte Kreis vor dem WM-Auftakt am Samstag in Herning gegen Ungarn (16.20 Uhr/ProSieben und MagentaSport). „Wir können den Rahmen schaffen. Den Rest machen die Spieler.“

Die Lust auf die Nationalmannschaft ist groß wie selten zuvor, auch in der NHL. Nicht nur wegen der Olympia-Teilnahme 2026. Freiwillige WM-Absagen, vor einigen Jahren immer wieder der Fall, gibt es kaum noch. Routinier Moritz Müller von den Kölner Haien wollte trotz schwerer Schulterverletzung zur DEB-Auswahl stoßen. Erst nach zwei Telefonaten mit Kreis musste der Abwehrspieler zugeben, dass eine Teilnahme am Turnier in Dänemark und Schweden wenig Sinn macht.

Torhüter Philipp Grubauer (Seattle Kraken), Lukas Reichel (Chicago Blackhawks) und Weltklasse-Verteidiger Moritz Seider (Detroit Red Wings) konnten es auch kaum erwarten, nach ihrem Saisonende in der nordamerikanischen Liga NHL zum Team zu kommen. „Wir wollen ihnen das Gefühl geben, dass sie wertgeschätzt werden. Eine Wertschätzung als Eishockey-Profi. Sie haben viel erlebt, da muss man ihnen nicht alles vorkauen. Sie sollen Entscheidungen selber tragen“, erklärte Kreis.

Der frühere Düsseldorfer Coach hat seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren die richtige Balance gefunden. Die Rahmenbedingungen werden vom Trainerteam vorgegeben, die Spieler bekommen aber einige Freiheiten. „Wir haben ein paar Prinzipien und Vorstellungen, wie gewisse Sachen ablaufen. Die macht die Mannschaft gerne mit“, sagte der Bundestrainer und bekräftigte: „Der Team-Spirit ist sehr ausgeprägt.“

Stürmer Justin Schütz kann das nur bestätigen. „Wir haben immer so eine super Zeit gemeinsam. Jedes Mal – überragend. Niemand wird ausgeschlossen. Wir sind meist mit 20 Spielern unterwegs“, schwärmte Schütz, der beim 2:5 bei der WM-Generalprobe gegen die USA beide Tore erzielte. Beim Silber-Coup vor zwei Jahren in Finnland sprang das Team angeführt von Seider nach den Spielen in einen eiskalten See. Auch in diesem Jahr soll es im WM-Spielort im dänischen Herning Aktionen geben. „Wir werden etwas finden, womit wir die Jungs zusammenbekommen“, sagte Seider im ZDF-Sportstudio. „Jeder, der Teamsport macht, kennt das: In kurzer Zeit muss man sehr eng zusammenwachsen, um Großes zu leisten.“

Früher ging es für die Nationalmannschaft hauptsächlich darum, den Abstieg zu verhindern. Nun ist das Viertelfinale bei der WM in Europas Norden für die DEB-Auswahl das Mindestziel. Danach ist alles möglich. „Natürlich sind die Erwartungen jetzt höher“, sagte Berlins Abwehrspieler Jonas Müller. „Ab dem Viertelfinale können wir uns vielleicht wieder in einen Rausch spielen.“
DPA

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