Einer wie keiner

von Redaktion

Heute kein Trubel mehr: Heynckes und seine Frau Iris. © imago

Sturm-Star: Heynckes schoss 220 Bundesliga-Tore. © imago

Der frühe Heynckes mit Manager Hoeneß. © imago

Abschied 2018: Mit unserer Redakteurin Hanna Raif. © dpa

Legendär: Heynckes mit seinen Trophäen 2013. Als erster Trainer gewann er mit dem FC Bayern das Triple. © dpa/Müller

Spalier für einen Großen: Heynckes wurde von den Bayern-Mitarbeitern verabschiedet. Ein emotionaler Tag für alle. © fcb

München – Diese Tüte, sie war auffällig. „Oh, you are a fan of Bayern Munich?“ („Oh, Sie sind Bayern-Fan?“) fragte eine Dame aus den USA, als sie den nett grüßenden grauhaarigen Herren im Jahr 2018 im Aufzug eines noblen Münchner Hotels sah. Jupp Heynckes stutzte kurz, lächelte und sagte „Yes, sure“ – „Ja, klar“, und das war ja nicht mal gelogen. Dass er der Trainer dieses Vereins ist, und zwar schon zum vierten Mal, dass er mit ihm vier Meisterschaften und das historische Triple gewonnen hat, dass er in dieser Stadt eine lebende Legende ist, das behielt er für sich. In diesem Moment ließ sich der Mann, der an diesem Freitag 80 Jahre alt wird, lieber erden als auf die Pauke zu hauen. Eine Bauchentscheidung mit Symbolwirkung.

Heynckes, die perfekte Mischung aus Mann von Welt und bodenständiger Vaterfigur – so oder so ähnlich beschreiben ihn auch die allermeisten derjenigen, die der Jubilar auf seinem Weg vom Bundesliga-Debüt 1965 bis zu seinem letzten Spiel an der Seitenlinie im Jahr 2018 begleitet haben. Aus dem Buben, der einen Tag nach dem Ende des 2. Weltkriegs geboren wurde, wurde der gefeierte Stürmer, der mit 220 Toren bis heute die Nummer vier der ewigen Bundesliga-Torjägerliste ist. Aus dem Welt- und Europameister auf dem Feld wurde der feurige Jung-Trainer, der sich außerhalb von Deutschland zu einem der Besten seines Fachs entwickelte. Und aus dem gestandenen Coach wurde beim FC Bayern Retter und Welttrainer zugleich. „Du warst immer da, wenn der FC Bayern dich gebraucht hat“, sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß im Vereinsmagazin „51“ zum runden Geburtstag. Und irgendwie ist Heynckes auch heute, wo er im mehr als 600 Kilometer entfernten Schwalmtal auf seinem Hof mit dem Weltnamen „Casa de los gatos“ die Ruhe des Rentner-Daseins genießt, immer wieder ein Thema an der Säbener Straße.

Man kann das Spielchen ja mal in beide Richtungen spielen, in jene vor Heynckes und in jene danach. Also: Was hätte Giovanni Trapattoni in diesem Aufzug geantwortet? Was Louis van Gaal? Vielleicht noch interessanter: Hätte Julian Nagelsmann Handyfotos von sich an der Seitenlinie gezeigt? Oder Thomas Tuchel zur Taktikdiskussion angesetzt? Sicher ist: Von all denjenigen, die die drei späten Amtszeiten von Heynckes (2009, 2011-2013, 2017-2018) flankiert haben, hätten die wenigsten reagiert wie er. Und deshalb ist es auch kein Zufall, dass es in den letzten Jahren vor allem dann, wenn mal wieder ein neuer Trainer gesucht wurde, um die Heynckes-Jahre ging. Weil er Werte und Ansichten verkörpert hat, die in dieser Branche aussterben.

„Du warst für uns nicht nur ein Trainer, sondern eine Vaterfigur. Einer, der uns verstanden hat – als Spieler, aber vor allem auch als Menschen“ – Sätze wie diese haben Arjen Robben und Franck Ribéry in „51“ gemeinsam verfasst. Die Einheit, die die 2013er-Triple-Mannschaft sowie das Team 2017/18 auf dem Rasen war, konnten die beiden auch daneben spüren. Heynckes war als Coach dabei „immer positiv, immer voller Energie“, vor allem aber hatte er „ein offenes Ohr“. Robben und Ribéry sprechen stellvertretend für viele Mitspieler, wenn sie sagen: „Wir sind unter dir auch als Typen gewachsen. Du hast uns Freiheiten gelassen, aber gleichzeitig klare Prinzipien vorgelebt.“

Kann man so etwas lernen? Kann man, auch Heynckes hat es getan. Erfahrung brachte die Lockerheit, die ihm bei seinem ersten Engagement 1987 bis 1991 noch gefehlt hat. Der späte Heynckes ist der, mit dem jeder Trainer in München verglichen wird. Hansi Flick galt als ähnlich, und dass Vincent Kompany in seinem ersten Jahr ein auffallend ruhiges Kabinen-Klima erzeugt hat, ist schon mal eine gute Basis.

Heynckes schaut sich all das inzwischen aus der Ferne an. Der Kontakt zu Uli Hoeneß ist gut. Dennoch: Nicht alles, was in und rund um seinen Münchner Verein passiert, gefällt ihm. Zu gierige Spieler, viel Unruhe in der Führung: Mit alten Weggefährten tauscht er sich darüber schon mal aus. Und trotzdem: Zum Fitness-Training zieht Heynckes ab und an noch ein Trikot des FC Bayern an. „Yes, sure“, Fan von diesem Verein ist er halt.

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