Müllers letzter Tanz

von Redaktion

Bier, Böller und Witz: Mama weint, aber Lisa fehlt erneut

„Macht‘s gut! Servus!“ Müllers Abschiedsgeste. © IMAGO

Achtung! Müller gab Vollgas am Glas. © IMAGO

Da ist das Ding: Neuer ließ bei der Meisterfeier seinem Kumpel Müller den Vortritt. © IMAGO

Mittendrin: Müller wurde auf den Zaun der Südkurve gerufen – und gab alles. © IMAGO

München – Der Plan für den Feierabend war gut durchdacht – und wurde auch in die Tat umgesetzt. „Ich werde jetzt eine Grundlage schaffen und dann lassen wir den Drachen steigen“, sagte Thomas Müller schmunzelnd, als er sich in der Allianz Arena am Samstagabend in Richtung Logen aufmachte. Im Trainingsanzug gab es noch ein schnelles Essen, ehe es im feinen Zwirn im Nachtclub „Jacob“ am Münchner Lenbachplatz feucht-fröhlich zuging. Die Gästeliste war lang und prominent: Von 200 Weggefährten, der aktuellen Führung und Mannschaft des FC Bayern ließ sich der 35-Jährige bis in die frühen Morgenstunden feiern. Sogar die Meisterschaft wurde an diesem Abend zur Nebensache, an dem seit 18.15 Uhr eine Live-Sendung von „Radio Müller“ lief.

„Ich habe es immer geliebt, der moderne Gladiator zu sein, auch die Show“, hatte Müller den 75 000 Zuschauern dieses zweitrangigen 2:0 (1:0) gegen Mönchengladbach zugerufen, die nach der Übergabe der Meisterschale nur seinetwegen noch lange auf ihren Plätzen geblieben waren. Aber ob er deswegen bei diesem Abschied nach 25 Jahren und 750 Spielen traurig sein solle? „Nein! Es war doch schön.“ Knapp sechs Minuten lang sprach er durchs Mikrofon zu den Fans, sein Team inklusive Staff stand Spalier und lauschte den nicht einstudierten Worten, die nachhallen werden. Er vergaß nicht, diejenigen in die Pflicht zu nehmen, die die von ihm hinterlassene große Lücke schließen müssen. Aber er schaffte es vor allem, überhaupt keine Trauer-Stimmung aufkommen zu lassen. O-Ton: „Ich freue mich auf das, was kommt – auch wenn es nicht halb so schön sein wird. Ich liebe euch alle! Macht‘s es gut, Servus!“

Auf der Haupttribüne musste Mama Klaudia neben Papa Gerhard ein Tränchen verdrücken, auch Bruder Simon wirkte ergriffen. Lediglich Ehefrau Lisa war (wieder) nicht zu sehen an diesem Tag, an dem Müller in die Geschichtsbücher einging. Von der offiziellen Verabschiedung auf dem Rasen samt Kollage, Blumen und Scheck über die ihm überlassene Schalen-Übergabe und dem Besuch auf den Zaun der Südkurve bis zur Rede und der anschließenden Ehrenrunde inklusive Bierduschen lieferte Müller seine eigene Show. Jeder, der dabei sein durfte, genoss sie. Trainer Vincent Kompany, der Müller nicht nur seine Meistermedaille um den Hals hing, sondern später als „einen wie keinen“ bezeichnete. Torschütze Harry Kane, der sagte: „Es war eine Ehre, mit ihm zu spielen.“ Und Kapitän Manuel Neuer, der ungewöhnlich offen zugab: „Er wird mir brutal fehlen.“

Wie sehr er als Mensch abgehen wird, wurde spätestens an diesem Abend deutlich. Bei der Feierstunde im Stadion wie später im Club, wo er sich Zeit für jeden nahm und gemeinsam mit CEO Jan-Christian Dreesen sogar der Crew in der Küche einen Besuch abstattete.

Kann, darf es das wirklich gewesen sein? „Fußball spielen ist das, was mir Spaß macht“, sagte Müller vieldeutig. Eberl wurde konkreter: „Ich glaube noch nicht, dass er jetzt aufhört. Ich glaube, er wird noch spielen.“ In der nordamerikanischen MLS etwa lockt Partnerclub Los Angeles FC. Erstmal aber steht noch ein Auswärtsspiel in Hoffenheim an, dann die Club-WM. Und nicht nur Joshua Kimmich hofft, dass Müller mit dem 34. Titel seiner Karriere wieder heim kommt und „das Fotoshooting mit allen Trophäen nochmal machen muss.“

Zeit für die Beerdigung dieser grandiosen Karriere scheint noch nicht. Auch wenn Müller zum Abschluss einen Witz über Beerdigungen zum Besten gab. Warum? Mit dem Angebot an Abschiedswitzen war er „nicht zufrieden“. Radio Müller, wie es besser nicht geht.
HANNA RAIF, MANUEL BONKE

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