Oliver Zeidler © IMAGO
Er ist Deutschlands Sportler des Jahres 2024, Olympia-Sieger und am Donnerstag, dem 8. Mai, war er Redner beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Ruderer Oliver Zeidler hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Beim Gipfeltreffen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft spricht er über Gemeinsamkeiten mit dem Sport. Und was man voneinander lernen kann. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er, wie Sportler ihre berufliche und sportliche Karriere vereinen können und was sich in der deutschen Sportförderung ändern muss.
Herr Zeidler, Sie haben neben Ihrer sportlichen Karriere ein duales Studium abgeschlossen, gearbeitet und studieren jetzt wieder. Wie schwierig ist es, dass alles unter einen Hut zu bringen?
Man braucht schon die Überzeugung, dass es das wert ist, was man da macht. Da muss einfach dieser olympische Gedanke – höher, schneller, weiter – in einem fest verwurzelt sein. Das muss man einfach cool finden, morgens vor der Arbeit aufzustehen und zu trainieren. Einfach, weil es nicht anders geht. Wenn ich jetzt nur Sport machen könnte, wäre das natürlich super, aber dann würde ich, so glaube ich, nach meiner Laufbahn sehr unglücklich sein. Denn wenn man einmal an der Weltspitze gewesen ist, will man auch beruflich Verantwortung übernehmen und zu den Besten zu zählen.
Einer Ihrer ehemaligen Ruderkollegen, Hannes Ocik, hat neulich erzählt, wie schwierig es Ihm fällt, jetzt nach seiner Karriere in die Berufswelt einzusteigen. Ist das eine große Angst von Sportlern?
Ich glaube schon. Aber um mal mit dem Positiven anzufangen: Sportler bringen sehr viele Werte und Fähigkeiten mit, die für jedes Unternehmen wertvoll sein können. Das Problem ist, dass wir trotzdem auf dem Jobmarkt mit normalen Studenten in Konkurrenz stehen. Dann ist es halt so, dass die anstelle an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften teilzunehmen und Deutschland zu repräsentieren, Praktika in den entsprechenden Bereichen gemacht haben und dadurch vorgezogen werden. Da fällt man dann leider schnell durchs Raster.
Wird der Randsport, in dieser Hinsicht, in Deutschland zu wenig wertgeschätzt?
Es kommt auch darauf an, wie die Verbände das managen. Man kann auch beim Rudern ein tolles Event machen. In England kommen jedes Jahr 400 000 Zuschauer zur Henley Royal Regatta. Wir schaffen es nur in Deutschland nicht, dem Randsport diesen Event-Charakter zu geben.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken darüber zu machen, was nach dem Sport folgt?
Nach dem Schulabschluss ist für viele Athleten ein Knackpunkt, wo sie sich dagegen entscheiden, mit dem Sport weiterzumachen und stattdessen studieren oder eine Ausbildung machen. Aber ich habe ja auch gezeigt, dass man das gut kombinieren kann, wenn man das richtige Umfeld hat.
Viele Athleten gehen den Weg über Bundeswehr, Zoll und Polizei. Welche Vor- und Nachteile bringt dieser Weg? Wäre das für Sie auch eine Überlegung gewesen?
Während der Karriere ist das super attraktiv, weil man wenig Aufwand für die Arbeit aufbringen muss und trotzdem abgesichert ist. Das Problem ist: Wenn man zum Ende seiner sportlichen Karriere kommt, hat man relativ wenig Erfahrung, wenn man dann tatsächlich bei der Polizei oder der Bundeswehr bleiben möchte.
Von der alten Regierung wurde das neue Sportfördergesetz beschlossen. Wie es jetzt damit weitergeht, ist noch nicht klar. Was erhoffen Sie sich von der neuen Regierung im Hinblick auf dieses Gesetz und der Sportförderung?
Ich wünsche mir für mich und die anderen Spitzenathleten, dass hier zielstrebiger vorgegangen wird. Die Prozesse um das Sportfördergesetz und die Sportagentur waren in meiner Wahrnehmung etwas planlos. Da waren offensichtlich Leute am Werk, die mit Spitzensport nicht viel zu tun haben. Wenn die Politiker auf mich oder andere Sportler zukommen würden, würde das sehr, sehr positiv aufgenommen werden. Wenn man diese Kritik ernst nimmt und das dann auch in den sportpolitischen Prozess der Willensbildung aufnimmt, kann daraus etwas sehr Gutes entstehen. Die Politik sollte die Mittel etwas freier verteilen. In meiner oder einer vergleichbaren Konstellationen würde ich mir ein Individualbudget wünschen. Man hat sehr viel Geld in Deutschland für den Sport, ich glaube, man bräuchte gar nicht viel mehr. Aktuell geht man mit der Gießkanne über das ganze Land. Ich finde, man sollte es wirkungsorientierter allokieren.
Sie trainieren unabhängig vom Deutschen Ruderverband. Würde es einen Weg geben, auch im Hinblick auf Olympia 2028, um nochmal zusammenzufinden?
Auf jeden Fall! Es passiert da sehr viel. Wir haben eine neue Struktur und neue Trainer im Deutschen Ruderverband. Jetzt muss sich zeigen, ob das Früchte trägt. Die Entwicklung ist aber sehr positiv und die Zusammenarbeit hat sich auch deutlich verbessert, seitdem der Sportdirektor ausgewechselt wurde. Die Olympischen Spiele 2028 werden meine letzten sein. Es ist möglich, dass wir davor wieder zusammen trainieren.
Sie sind Deutscher Sportler des Jahres 2024 geworden. Ist das aber, wenn die Förderung nicht stimmt, nur ein leerer Titel?
Für den Titel bekommt man kein Preisgeld, von daher muss man das dann quasi für sich selbst nutzen. Ich kann es natürlich in meiner eigenen Marketing-Strategie schon entsprechend verkaufen. Es ist also sehr viel Eigeninitiative gerfragt, daraus etwas zu machen. Aber trotzdem ist es natürlich super, als zweiter deutscher Ruderer überhaupt diesen Titel zu gewonnen zu haben.
INTERVIEW: DAVID KORBER