NHL-Größen am Montag beim deutschen Training: Tim Stützle (r.), Moritz Seider. © DEB/City-Press
Für Moritz Seider gab es keine Playoffs in der NHL, weil seine Detroit Red Wings sich nicht qualifiziert hatten, daher fand der Kapitän der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft Zeit, sich anzuschauen, wie sich Landsmann Tim Stützle mit den Ottawa Senators im Achtelfinale um den Stanley Cup machte. Seider entging es nicht, dass die Toronto Maple Leafs es abgesehen hatten auf Stürmer Stützle: „Er war das Target und hat einiges abbekommen.“ Darum war es auch ungewiss, ob trotz Ottawas zügigem Ausscheiden Stützle nach Dänemark zur WM kommen würde. Der 23-Jährige hatte 88 Saisonspiele in den Knochen – und ein Vielfaches an Schlägen. Er erlitt, wie er zu MagentaSport sagte, „eine leichte Gehirnerschütterung“. Doch seit Sonntag ist er da, kam in die Kabine und gratulierte der deutschen Mannschaft zum 4:1-Sieg gegen Kasachstan. Am Montag trainierte er mit, am Dienstag (16.20 Uhr, ProSieben und MagentaSport) gegen Norwegen wird er spielen. „Er ist brutal schnell, hat ein brutales Spielverständnis. Er wird uns sehr weiterhelfen“, sagt Lukas Reichel (Chicago). Moritz Seider erwartet, „dass Tim ein unheimlicher Gewinn sein wird“.
Es muss das Urteil derer zählen, die einigermaßen regelmäßig mit ihm zu tun haben. In Deutschland bekommt man nämlich wenig mit von Tim Stützles Wirken in der NHL. In der DEL sah man ihn lediglich in der Saison 2019/20, in die er in Mannheim als 17-Jähriger mit Gitter vorm Gesicht gestartet war. Sein Trainer Pavel Gross schwärmte von ihm, „dass er Dinge kann, die andere nie verstehen werden“. Es war klar, dass der Weg des gebürtigen Vierseners in die NHL führen würde. Im Sommer 2020 zogen ihn die Ottawa Senators an Nummer drei – die gleich hohe Platzierung, wie sie Leon Draisaitl 2014 gehabt hatte.
Die Corona-Pandemie schränkte Stützle etwas ein. Die DEL-Playoffs 2020 entfielen, monatelang gab es keinen Eishockey-Betrieb. Die NHL-Saison 20/21 fand in verkürztem Format statt. Stützle zog direkt von der U20-WM in Edmonton nach Ottawa. Seine Story dort: Stammkraft vom ersten Spiel an, junge Leitfigur eines Teams im Rebuild, dem Wiederaufbau. Nur: Dieser komplizierte Name, ein Zungenbrecher für die Kommentierenden. Mittlerweile nennt man Tim Stützle Jimmy Stü. Er hat den ersten großen Vertrag abgeschlossen (Jahressalär 8,35 Millionen US-Dollar), ging mit fast einem Scorerpunkt pro Spiel aus der vergangenen Saison und erstmals mit einem positiven Wert in der Plus-Minus-Statistik.
In der Nationalmannschaft hat er sich rar gemacht. Ein Testspiel 2022 gegen Österreich in Schwenningen, dann drei WM-Spiele, ehe er wegen einer Knieverletzung von den Senators abgezogen wurde – mehr Stützle gab es nicht. 2023 und 24 war er nicht zu greifen, er regenerierte, während die WM lief. Er fügte sich dem Wunsch seines Clubs. Stützle ist ein Selbstoptimierer, seine Karriere steht im Vordergrund. Er will nicht anecken. Als ihn unsere Zeitung kürzlich nach dem politisch komplizierten Verhältnis zwischen Kanada und USA fragte, wich er aus: „Jeder hat sein eigenes Bild. Ich will damit nichts zu tun haben. Was passiert, kann man so oder so nicht ändern.“
Sein Business ist das Eishockey. „Ich bin einer, der mit jedem zusammenspielen kann. Ich versuche, die Spieler um mich herum besser zu machen und mein Spiel dadurch auch“, sagt er. Das Geschäft bringt es aber auch mit sich, dass für Stützle einer aus dem Kader weichen musste. Es traf Marcel Noebels (33, Berlin). Stützle: „Er kommt aus meiner Gegend, im Sommer haben wir immer Kontakt.“
GÜNTER KLEIN