Bitte recht freundlich: Am Freitag hatte die deutsche Mannschaft Fototermin. © DEB/City-Press
Herning/München – Am Freitagvormittag, nach bereits vier Spielen bei der Eishockey-Weltmeisterschaft, war die Zeit gekommen für einen Termin, den man eher am Anfang eines zwei Wochen langen Turniers wähnt: Aufnahme des offiziellen Mannschaftsfotos. Also stellten die 24 Spieler, die Banden- und die Videotrainer, die Physios und Zeugwarte sich in Reih und Glied auf, und das war ein Anlass, um freudige Mienen zu zeigen. Doch grundsätzlich ist das Lächeln, das deutsche Lippen nach einem solide absolvierten Auftaktprogramm mit Siegen gegen Ungarn, Kasachstan und Norwegen umspielte, nicht mehr so breit. Das 1:5 gegen die Schweiz schmerzte wegen der alten Rivalität und der Dimension, dass man das mittlere Drittel 0:4 verlor. Und es steht zu erwarten, dass intern nicht mehr der gewohnte freundliche Umgang gepflegt wird.
„Wir müssen ehrlich sein“, leitete Kapitän Moritz Seider die Aufarbeitung der Demütigung im Nachbarschaftsduell ein. „Wir sind passiv geworden gegen eine talentierte Mannschaft, sind in der eigenen Zone stehen geblieben. Das müssen wir analysieren und mit Feuer und Leidenschaft aufs Eis kommen. Lieber mehr Leidenschaft und die anderen mal anschnauzen als eine tote Bank zu haben.“ Mit dieser Ansage war der Ton gesetzt für das nächste Spiel am Samstag (12.20 Uhr, ProSieben und MagentaSport) gegen die USA. Seider weiter: „Wir haben unsere Fehler selbst gemacht und können sie abstellen.“
Ein Turnier bringt eine Mannschaft fast immer an den Punkt, dass sie sich sortieren und eine neue Ordnung finden muss. Voriges Jahr hatte das deutsche Team bei der WM im tschechischen Ostrava sich zum Start mit einem 6:4-Erfolg über die Slowakei selbst angenehm überrascht, erlitt in der Folge aber 1:6-Niederlagen gegen die USA und Schweden, die sich nicht weniger krachend anfühlten als nun das 1:5 gegen die Schweiz. Die Mannschaft, die kaum offensive Akzente hatte setzen können, wandelte sich dann aber quasi über Nacht in ein Offensivmonster, das in den folgenden vier Vorrundenmatches (Lettland, Kasachstan, Polen, Frankreich) 26 Mal einnetzte und plötzlich als das effizienteste Team der gesamten WM dastand.
2023 hatte man die Steigerung im Kräftemessen mit den US-Amerikanern vollbracht. Im letzten Testspiel vor der WM in München wirkte man klar unterlegen (3:6), in der Gruppenphase näherte man sich den USA an (2:3), im Halbfinale schlug man sie 4:3 nach Verlängerung und erreichte das Endspiel. In diesem Jahr waren die Amerikaner wieder der letzte Gegner in der Vorbereitung und erwiesen sich im Rahmen eines 5:2-Erfolgs in Düsseldorf als vor allem im Abschluss überlegen. Doch das US-Team pflügt bislang nicht so durch die WM in Herning, wie das zu erwarten gewesen wäre. Die NHL-Profis unterlagen der Schweiz 0:3 und verdaddelten gegen Norwegen eine 5:1-Führung, gewannen erst in der Overtime (6:5). „Die USA kennen wir schon ein bisschen, die Chance ist da“, meint der Ingolstädter Wojciech Stachowiak, „aber wir müssen mit einem komplett anderen Gefühl in dieses nächste Spiel gehen.“ Der Münchner Yasin Ehliz fordert, „dass wir uns an den Spielplan halten. Dann sind wir stark“.
Und so wird bis Samstagmittag daran gearbeitet, neuen Mut zu fassen. NHL-Star Seider versichert: „Wir gehen nicht in ein Spiel und sagen: ,Gegen eine solche Mannschaft verlieren wir.‘“
GÜNTER KLEIN