Prominenter Besuch: Bei der Lesung von „Write your own story“ im Münchner Literaturhaus begrüßte Giulia Gwinn auch Uli Hoeneß und Herbert Hainer. © Hörhager/dpa
München – Bisher ist es nicht zu diesem Anruf gekommen. Aber allein die Möglichkeit, ihn tätigen zu dürfen, gibt Giulia Gwinn enorm viel. „Bis heute“, sagt die 25-Jährige, wenn sie an diesen Moment vor zweieinhalb Jahren denkt, „ist das sehr prägend für mich. Es war einfach eine superschöne Geste.“ Sie blickt ins Publikum des voll besetzten Saales im Münchner Literaturhaus, und natürlich bleibt sie bei dem Mann hängen, der ihr „in einem schlimmen Moment mit drei, vier Sätzen ein so gutes Gefühl gegeben hat“: Uli Hoeneß. Gast in Reihe eins – und einer von rund 300 ausgemachten Gwinn-Fans an diesem Dienstagabend.
Die Anekdote des anonymen Anrufs, der Gwinn, heute Double-Gewinnerin mit dem FC Bayern und Kapitänin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, im Herbst 2022 erreicht hat, ist eine von vielen in ihrem neu veröffentlichten Buch „Write your own story“ (Mosaik-Verlag/20 Euro). Dass Hoeneß damals zum Hörer griff, um die tieftraurige Gwinn nach ihrem zweiten Kreuzbandriss aufzubauen, „rechne ich ihm hoch an“, sagt sie. Und Hoeneß gibt die lobenden Worte gerne zurück. Er sei noch nie „ein Claquer“ gewesen, erzählt der 73-Jährige. Vielmehr sei es ihm in seiner langjährigen Karriere als Verantwortlicher beim FC Bayern „immer wichtig“ gewesen, „der Erste am Krankenbett zu sein“. Gwinn habe ihm „so leid“ getan, daher lebte er in diesen wenigen Minuten das vor, was er auch ihr attestiert: „Giulia ist ein wunderbares Beispiel für das Mia san Mia.“ Mehr Ritterschlag geht nicht.
Mama Gabi und Papa Florian sind natürlich da, Freunde, Familie, aber auch Wegbegleiter eines bisher noch nicht allzu langen, aber schon bewegten Lebens. Da wäre Joachim Masannek, Autor der Kinderbuchreihe „Die Wilden Kerle“, die die junge Giulia darin bestärkte, inmitten von Buben ihren steilen Aufstieg zum Star des deutschen Frauenfußballs zu starten. Oder auch „Knie-Papst“ Christian Fink, der in Innsbruck nicht nur die Kreuzbänder von Gwinn flickte, sondern bis heute einen Ehrenplatz für das signierte Gwinn-Leiberl hat. „Manche Trikots“, sagt der Mann, der auch die Spieler des FC Bayern regelmäßig auf dem OP-Tisch liegen hat, „tauscht man aus. Das von Giulia wird immer hängen bleiben.“
Diese Frau taugt zum Vorbild. Nicht, weil sie 61-fache Nationalspielerin ist, mit 16 in der Bundesliga debütierte, Olympia-Bronze gewann oder gar 633 000 Follower auf Instagram hat. Sondern weil man bei ihr, wie Ex-Bundestrainer Horst Hrubesch im Vorwort schreibt, „immer 100 Prozent kriegt“.
Gwinn weiß, was sie will, das zieht sich durch. Als Mädchen vom Bodensee meldete sie sich heimlich zum Probetraining im Fußballverein an, heute schließt sie Fotos für den „Playboy“ kategorisch aus („niemals!“). Außerdem im Buch zu lesen: Warum sie einst einfach nur „das Mädchen“ hieß und Thomas Gottschalk sie „Giuliana“ nennt. Nicht nur Uli Hoeneß hat am Dienstag ein Exemplar mit nach Hause genommen.
HANNA RAIF