Im Fahrstuhl nach oben: Kevin Conrad (mit Pokal) machte mit Elversberg den Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Liga mit. © IMAGO
Elversberg – Regionalliga, 3. Liga – und schließlich sogar 2. Bundesliga: Als Kapitän führte Kevin Conrad (34) die SV Elversberg auf direktem Weg aus der Viertklassigkeit in den Profifußball. Vor dem heutigen Relegations-Hinspiel gegen den 1. FC Heidenheim (20.30 Uhr/Sat.1) spricht der im Vorjahr zurückgetretene Abwehrchef im Interview mit unserer Zeitung über den märchenhaften Aufstieg des Dorfclubs aus dem Saarland.
Herr Conrad, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf die Entwicklung des Vereins blicken?
Da schwingen zwei Gedanken mit. Der erste ist natürlich große Freude. Ich bin dem Verein nach wie vor sehr verbunden. Andererseits ist da auch ein bisschen Wehmut. Es schmerzt manchmal, dass ich jetzt nicht mehr aktiv dabei bin.
Sie waren Kapitän in einer Zeit, als Elversberg noch nicht im Fokus stand. Gab es damals Anzeichen, dass hier etwas Größeres entstehen könnte?
Absolut. Wenn man sich den Weg von Frank Holzer und Dominik Holzer anschaut – also Aufsichtsratschef und Präsident – dann merkt man schnell: Die hatten eine klare Vision. Aber eben nicht mit der Brechstange, sondern mit Bedacht, mit Sinn und Verstand. Als ich zum ersten Mal die Pläne für das Stadion gesehen habe, wusste ich sofort: Das hier ist nicht für die Regionalliga gedacht. Und auch nicht nur für die dritte Liga. Dann kamen die Pläne fürs Trainingszentrum – das war ambitioniert, da wurde klar: Die meinen es ernst.
Eine langfristige Vision also?
Genau. Ich wurde damals ganz klar mit dem Ziel geholt, mit dem Team in die dritte Liga aufzusteigen. Der Durchmarsch in die 2. Liga war dann natürlich spektakulär. Aber dass der Club nach oben wollte, war für mich von Anfang an ersichtlich.
Was zeichnet Trainer Horst Steffen aus?
Vor allem seine Beständigkeit. Er ist jetzt seit über sechseinhalb Jahren Trainer in Elversberg – das ist schon außergewöhnlich. Er bleibt seiner Linie treu, auch wenn es sportlich mal nicht läuft. Er wirft dann nicht plötzlich alles über den Haufen, sondern vertraut weiter seiner Philosophie. Und er ist auch sehr nahbar. Ich habe viele intensive Gespräche mit ihm geführt – klar, manchmal hatten wir auch unterschiedliche Meinungen. Aber er war immer offen und fair im Umgang.
Was macht die SV Elversberg für Sie besonders? Gibt es so etwas wie eine „SVE-DNA“?
Definitiv. Die SVE ist ein Club, der keine Luftschlösser baut. Nachhaltigkeit wird großgeschrieben. Wenn man aufsteigt, wird nicht sofort ein Spieler nach dem anderen eingekauft oder ein Millionenbudget verbraten. Die Strategie bleibt: mit Bedacht, familiär, bodenständig. Und das Familiäre ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. Bei Problemen – sei es sportlich oder privat – kann man wirklich mit jedem im Verein sprechen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?
Klar. Ich erinnere mich noch gut daran: Wenn neue Spieler kamen und eine Wohnung suchten, hat der Finanzvorstand Marc Strauß persönlich angerufen und geholfen. Und das nicht nur, als wir in der Regionalliga waren – auch heute in der zweiten Liga ist das so geblieben. Man fühlt sich einfach gut aufgehoben. Es gibt keine übertriebenen Gehälter oder roten Teppiche – aber man spürt echte Wertschätzung. Und das macht oft den Unterschied.
Ein Dorfclub zum Anfassen …
Als ich 2020 gekommen bin, hatten wir teilweise nur dreistellige Zuschauerzahlen. Jetzt trägt das ganze Saarland den Verein mit. Und der Zusammenhalt ist geblieben. Nach Siegen kam es öfter vor, dass wir gemeinsam mit den Sponsoren das Stadion abgeschlossen haben (lacht). Das sagt eigentlich alles. Der familiäre Charakter zieht sich durch jeden Bereich des Vereins.
Trägt dieser Wohlfühlfaktor auch zum sportlichen Erfolg bei?
Absolut. Wer sich wohlfühlt, liefert auch ab. Man hat es jetzt auch auf Schalke gesehen: 65 000 Zuschauer, riesiger Druck, weil man zum ersten Mal etwas zu verlieren hatte – und die Mannschaft spielt einfach befreit auf. Weil sie weiß, was sie kann und wo sie herkommt.
Welche Rolle spielt Sportvorstand Nils Ole Book bei der Entwicklung des Kaders?
Eine ganz entscheidende. Er verpflichtet keine Spieler, die charakterlich nicht ins Team passen würden. Und er hat ein gutes Auge für Leihspieler, weil er eben genau hinschaut: Wer kommt mit einem Trainingszentrum aus Containern zurecht? Spieler, die sich darüber beschweren, dass es keine Sauna gibt und man zum Eisbad in die Regentonne muss, statt bequem in einen Pool zu steigen, bringen die SVE nicht weiter.
Wie ist jetzt die Stimmung innerhalb des Clubs?
Ich habe noch Kontakt zu Robin Fellhauer, der jetzt Kapitän ist. Er hat nach dem Spiel auf Schalke gesagt: „Alles kann, nichts muss.“ Das war damals schon unser Motto. Und das lebt der Club heute noch. Sie fahren ohne Druck nach Heidenheim, wissen aber, was sie können. Keiner hätte erwartet, dass sie überhaupt um die Bundesliga mitspielen würden. Aber jetzt sind sie da – und sie glauben an sich.
Glauben Sie an die Sensation gegen Heidenheim?
Ich drücke natürlich die Daumen. Klar, Heidenheim ist ein Brett. Aber ich glaube, dass Elversberg im Rückspiel eine Überraschung schaffen kann.
INTERVIEW: JOHANNES OHR