Glückselig: Die Dänen nach dem Coup gegen Kanada. © AFP
Herning/München – Als Nick Olesen 49 Sekunden vor Schluss des Viertelfinals bei der Eishockey-Weltmeisterschaft den Puck über den kanadischen Tormann Jordan Binnington zum 2:1 für Dänemark ins Netz lupfte, richtete die Kamera des Fernsehens sich auf einen rundlichen Mann mit schütterem Haar, der auf den Rängen der „Jyske Bank Boxen“ in Herning vor Glück eskalierte. Wer sich für Eishockey interessiert in Dänemark, erkannte ihn: Heinz Ehlers.
Er ist der Vater von Nikolaj Ehlers, dem NHL-Star bei den Winnipeg Jets, der zum letzten Vorrundenspiel gegen Deutschland eingeflogen kam und trotz Jetlags das 1:1 (Endstand: 2:1 nach Penaltyschießen) erzielte. Auch gegen Kanada traf Ehlers junior zum 1:1. Ehlers senior war auch schon mal dänischer Nationaltrainer gewesen, aktuell arbeitet er beim EHC Visp in der Schweiz. Vor allem aber gilt Heinz Ehlers als die Figur, die Dänemark auf die Landkarte des Welteishockeys gebracht hat. Der heute 59-Jährige war in allem der erste Däne: In Schweden, wohin er als Junior ging, um sich ausbilden zu lassen, in Österreich, in der Schweiz, ab 1996 zunächst in Augsburg, dann bei den Preussen Berlin in der DEL. Das Bosman-Urteil hatte Ausländer-Kontingente aufgehoben, man getraute sich dann auch, einen Exoten zu verpflichten. Ehlers war zudem am Start beim historischen ersten Länderspiel zwischen Dänemark und Deutschland bei der B-WM 1999 in Odense. Der Deutsche Eishockey-Bund hatte Freundschaftsspielanfragen des Nachbarn stets abgelehnt – als er nicht mehr ausweichen konnte, unterlag er 1:6.
Dänemark wurde eine stabile Eishockey-Nation – der Einzug ins Halbfinale der WM ist aber eine der größten Sensationen, die dieser Sport zu bieten hat. Denn Kanada war stark besetzt, mit Sidney Crosby führte einer das Team an, der jeden erdenklichen Titel schon gewonnen hat. Nathan MacKinnon war der Co-Superstar, man zählt ihn zu den fünf Besten der Welt. Macklin Celebrini ist der Topspieler des vergangenen Draft-Jahrgangs. Die Statistik zeigt, wie die Kanadiern in Herning die Luft ausging. Schussverhältnis im ersten Drittel: 18:4 – man wollte den Job, zu dem man von Stockholm nach Herning hatte reisen müssen, schnell erledigen. Letztes Drittel: 10:22.
Nun träumt Dänemark von noch mehr. Im Halbfinale – ab nun findet das Turnier in Stockholm statt – am Samstag (18.20 Uhr, ProSieben) geht es ein zweites Mal gegen die Schweiz. 2:5 endete das erste Treffen, es war letztlich eine klare Sache, doch im mittleren Drittel ging Dänemark mal 2:1 in Führung. Inzwischen sind mit Nikolaj Ehlers (Winnipeg) und Jonas Rondbjerg (Vegas) zwei NHL-Spieler dazugestoßen. Und überhaupt hat Dänemarks Nationalmannschaft Substanz: In der eigenen Liga spielen nur wenige, die meisten stehen in Schweden unter Vertrag.
Den dänischen Run ins Halbfinale – das andere bestreiten mit Schweden und USA (Samstag, 14.20 Uhr) zwei etablierte Nationen – hat auch Mads Christensen verfolgt. Der inzwischen 38-Jährige, der mit Eisbären Berlin und EHC Red Bull München sechs Deutsche Meisterschaften gewann, stammt aus Herning, nach seinem Karriereende baute er einen Handwerksbetrieb auf. Vorige Woche lud er die ehemaligen Münchner Mitspieler zu sich zum Kaffee ein – und sagte voraus, dass Dänemark im Penaltyschießen gewinnen werde. So kam es.
GÜNTER KLEIN