„Ich wusste, das steckt in mir“

von Redaktion

Speerwerfer Julian Weber über seinen ersten Wurf über 90 Meter

91,06 Meter und noch lange nicht Schluss – Speerwerfer Julian Weber schreit seine Freude in Doha heraus. © IMAGO/NOUSHAD

91,06 Meter – beim Diamond-League-Meeting in Doha durchbrach Julian Weber vor einigen Tagen endlich die magische Schallmauer. Mit unserer Zeitung spricht der Speerwerfer (30) über den Triumph, Schmerzen, eine bessere Technik und die Weltmeisterschaft in Tokio.

Julian Weber, Sie haben die Schallmauer durchbrochen. Wie schnell war Ihnen das klar?

Ich habe das direkt gemerkt. Du spürst das, sobald du abgeworfen hast. Beim Wurf läuft alles sehr automatisch ab, du bist so im Tunnel, voller Adrenalin, da ist vieles intuitiv. Ich habe direkt die Arme in die Luft gestreckt. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl, den Speer so weit fliegen zu sehen. Einfach nur wunderschön. Dann siehst du die 90 Meter aufblinken, das war eine riesige Eskalation (lacht). Das nach so einer langen Zeit geschafft zu haben, ist extrem befreiend. Das nimmt auch Druck. Ich muss keinen Normen- oder Weiten hinterherjagen, sondern kann mich fokussiert auf die WM vorbereiten.

Die Jagd nach den 90 Metern hat Sie viele Jahre beschäftigt, und vermutlich viel Kraft gekostet.

Man trainiert so lange darauf hin, steckt so viel in diesen Traum. Man beschäftigt sich jeden Tag damit. Du kämpfst immer wieder mit Schmerzen und Problemen. Kommst wieder zurück. Ich hatte schon einige Verletzungen. So viele Jahre sage ich schon: Das steckt in mir. Ich weiß, dass ich es schaffe. Aber es hat nie alles zusammengespielt. Jetzt bin ich noch mal stärker drauf, die Technik ist noch besser. Und es ist immer noch viel Potenzial da. Die 90 Meter sind das Ziel eines jeden Speerwerfers. Das ist für mich das Größte. Vom Kopf her ist das – es endlich geschafft zu haben – noch wichtiger als eine Medaille zu gewinnen.

Letztes Jahr die Olympischen Spiele, dieses Jahr die Weltmeisterschaft. Haben Sie früh im Jahr gemerkt, dass der Aufbau stimmt?

Das Training lief das ganze Jahr super. Ich habe Top-Kraftwerte erreicht. Mein Ziel ist es, bei der Weltmeisterschaft ganz vorne dabei zu sein. Aber ich will nicht viel über Medaillen reden. Man muss auf den Punkt fit sein, darf sich über die lange Saison nicht kaputtmachen. Dann ist alles möglich. Die weiteren Wettkämpfe nehme ich jetzt aus dem vollen Training mit. Man muss das Ganze ein wenig relativieren. Klar, ich habe jetzt weit geworfen. Aber es war der erste Wettkampf, da sind Körper und Kopf noch frisch. Da will man direkt zeigen, was man draufhat. Jetzt fokussiere ich mich wieder mehr auf das Training.

In Doha hat auch Neeraj Chopra die 90-Meter-Marke geknackt. Die Speerwurf-Spitze ist qualitativ sehr breit aufgestellt.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich würde mich auch freuen, wenn die deutsche Konkurrenz wieder richtig stark wird. Das macht auch viel aus, wenn du dich batteln kannst. Die Stimmung ist super, nicht nur national, auch international mit den Kollegen. Besonders mit Neeraj Chopra. Wir haben uns die 90-Meter-Würfe gegenseitig sehr gegönnt, uns gegenseitig motiviert. Auch die anderen Kollegen haben uns angespornt, haben gesagt: Heute ist der Tag, schnapp dir die 90 Meter.


INTERVIEW:

NICO-MARIUS SCHMITZ

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