„Löwen-Safe der Saison“: Schifferl stoppt Seitz (Aue). © IMAGO
München – Das Fallrückziehertor von Raphael Ott, die Mittelkreis-Bogenlampen von Thore Jacobsen und Tunay Deniz, der Drei-Punkte-Freistoß von Maximilian Wolfram in Köln. Wenn von der auf Platz 11 beendeten Löwen-Saison etwas hängen bleibt, dann die seltene Häufung von Treffern der Marke „Tor des Monats“. Ausgeklungen ist die Saison jedoch mit einer Aktion, die ein sicheres Tor verhindert hat. 74. Minute beim Heimfinale gegen Aue, Sean Seitz wird von Pepic auf die Reise geschickt, der Weg Richtung Marco Hiller ist frei, doch ein Löwe hat aufgepasst und zündet den Turbo: Raphael Schifferl, zehn Meter weiter hinten gestartet, holt Seitz noch ein, grätscht ihm kurz vor dem Strafraum den Ball vom Fuß. Seine Reaktion: Doppelfaust-Jubel Richtung Westkurve. Schifferl feiert sich dafür, den Löwen den Saisonabschluss gerettet zu haben (1:1). Seither ist die Szene ein TikTok-Hit, BR24 legte dramatische Musik drunter und fragt: „Ist das der Löwen-Safe der Saison?“
Auf jeden Fall war es der Befreiungsschlag schlechthin für Raphael Schifferl. Vergessen waren schlagartig all die Monate abseits der Mannschaft, die Frustwochen in der Reha, Selbstzweifel inklusive. Eine nicht näher definierte Verletzung am Sprunggelenk hatte den Österreicher kurz vor Weihnachten außer Gefecht gesetzt. Geschlagene 18 Spiele, von Verl am 14. Dezember (0:4) bis Rostock am 25. April (0:1), mussten die Löwen ohne ihr Abwehr-Gifthaferl auskommen; es war die erste schwere Verletzung in der Karriere des 25 Jahre alten Ex-Hachingers. Noch im Interview vor der Saison hatte er gesagt: „Wichtig ist, dass man fit bleibt, denn dann kann ich im Idealfall meine Einsatzzeit aus der Hachinger Saison wiederholen.“
Auf 37 Einsätze war Schifferl in seinem ersten Drittligajahr gekommen, alle über 90 Minuten. Nur eine Gelbsperre hatte in Haching eine makellose Saisonbilanz verhindert. Ganz anders dagegen Schifferls Zeit bei 1860 – sie verlief ab Tag eins deutlich holpriger: Schon am 7. Spieltag hatte sich der Blondschopf eine Rotsperre eingehandelt, in der Folge war er ein Pendler zwischen Startelf, Ersatzbank und Tribüne. Mit einer starken Leistung beim 3:0-Sieg in Essen schien er gerade wieder Fuß gefasst zu haben, dann jedoch folgte die Verletzung, eine quälende Leidenszeit. Erst am drittletzten Spieltag, erneut gegen Essen (1:3), feierte Schifferl sein Comeback. Spät in der Rückrunde, aber gerade noch früh genug, um sich mit Blick auf die neue Saison in Stellung zu bringen.
Mit seinem Startelf-Comeback gegen Aue fand die Saison zumindest für Schifferl einen versöhnlichen Abschluss. 90 Minuten schmerzfrei durchgehalten, gegen Ende des Spiels auch geistig voll dagewesen. Trainer Patrick Glöckner dürfte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, als Seitz frei aufs Tor zulief, doch für Schifferl war die seine Monstergrätsche ein Zeichen, dass er nichts verlernt hat, dass mit ihm wieder zu rechnen ist – erst recht, falls Glöckner ganz auf Dreierkette umstellt.
Wenn man so will, ist Schifferl 1860-Zugang Nummer vier (nach Volland, Jakob, Niederlechner) – ein hochkarätiger aus den eigenen Reihen. Der Abwehr kann ein fitter „Schiffi“ nur guttun, denn 61 Gegentore sollten sich nicht wiederholen, wenn man wie 1860 künftig nicht nur mit Traumtoren für Furore sorgen will.
ULI KELLNER