ZUM TAGE

Noch eine League, noch ein Turnier

von Redaktion

Fußball-Wildwuchs unterm Dach

Am Samstag findet in München das Champions-League-Finale statt, es ist halt keines mit dem ersehnten „Dahoam“-Siegel, deswegen liegt keine große Erwartung wie anno 2012 in der Luft, und im Stadtbild ist das bevorstehende Kräftemessen zwischen Inter Mailand und Paris Saint-Germain noch nicht sichtbar. Nicht entgehen kann einem beim Gang durch die Straßen aber die großflächige Plakatierung für die Veranstaltung „Ultimate Champions“, das „UEFA-Legendenturnier“. Am Freitag wird Hallenfußball gespielt, es treten an: die „Matthäus Masters“, der „FC Figo“, „Kaka‘s Kings“ und „Royal Seedorf“. Die Namensgeber fungieren als Kapitäne und sind offenbar bereit, noch selbst mitzuspielen. Unter anderem sollen auch Oliver Bierhoff, Dietmar Hamann und Jens Lehmann den SAP Garden „zum Kochen bringen“, und vermutlich soll dies mit ihrer Spielkunst geschehen und nicht mit einem Impulsvortrag über Marketing, einer zugespitzten Analyse zu den auf Jahrzehnte unlösbaren Problemen des FC Bayern oder einem Heimwerker-Workshop („Sichtlinienanpassung bei Nachbars Carport“).

So langsam kommt man durcheinander mit all den neuen (Kleinfeld-)Formaten. Mit Baller League, Icon League, Kings League, Infinity League. Die Baller League (hat nichts zu tun mit dem diesjährigen deutschen Song-Contest-Beitrag „Baller“) fordert nun sogar olympische Weihen für sich ein, am Wochenende stieg in Berlin das Finalevent der Icon League und war natürlich noch lauter, schneller und im Zweifelsfall „noch digitaler“ als alles, was man je erleben hat dürfen. Sieht so aus, als entbrenne ein Wettbewerb unter den Anbietern: Wer taucht am tiefsten ein in die Seele der Fans und findet heraus, wie diese den Fußball wirklich gestaltet sehen wollen?

Diese Suche ist ein Riesen-Fake. Der Fußball, wie wir ihn kennen, ist die bestfunktionierende Sportart der Welt – weil er verständlich und verlässlich ist. Seine Veränderung liegt darin, dass er das Niveau gesteigert hat, vor allem in den vergangenen zwanzig Jahren – und das spricht für ihn. In den neuen Leagues kicken Leute, bei denen es nicht (mehr) reicht für den richtig guten Fußball. Marketinggedöns soll diesen Makel übertönen. Und überhaupt: Warum auf einmal Fußball in der Halle (noch dazu im späten Mai)? Es gab gute Gründe, dass sich der ernsthafte Fußball aus ihr längst entfernt hat. Auch vielen der jetzigen UEFA-Legenden blieb zu ihrer besten Zeit einiges erspart.

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