Reif und knüppelhart

von Redaktion

Inter-Haudegen Francesco Acerbi hält mit viel Routine die Abwehr zusammen

Ohne diesen Haudegen wäre Inter nicht in München: Halbfinal-Held Acerbi. © AFP

München – Wer weiß, wie es gelaufen wäre, hätte im Halbfinal-Rückspiel nicht der älteste Mann auf dem Rasen noch einen späten Ausflug unternommen. Die Rede ist von Francesco Acerbi, dem wegen seiner gnadenlosen Härte gefürchteten Inter-Verteidiger. An diesem Abend in Mailand half er als Stürmer aus, erzielte am Ende der Nachspielzeit das 3:3, das den Finaleinzug der Italiener überhaupt erst möglich machte. Vor lauter Freude riss sich Acerbi (37) das Trikot vom tätowierten Leib – im 20. Jahr seiner Karriere war es sein erstes Tor, das er in der Champions League erzielt hat.

Dabei war Francesco Acerbi, im Speckgürtel Mailands geboren, schon dran und drauf, aufzuhören mit dem Fußball, 2012 war das. Er spielte bei Chievo Verona, als sein Vater Roberto starb, seine wichtigste Bezugsperson. Acerbi war 24, sein Tod warf ihn aus der Bahn, er sprach zu sehr dem Alkohol zu. Depressionen kamen hinzu, schließlich wurde Ende 2013, da kickte er bei Calcio Sassuolo, Hodenkrebs diagnostiziert. Trotz Operation kam der Krebs zurück, eine dreimonatige Chemotherapie folgte, mit allen Folgen.

Doch die schwere Krankheit öffnete ihm die Augen, „der Krebs hat mein Leben gerettet“, sagte er mal. Konfrontiert mit dem Tod, änderte er sein Leben, suchte und fand therapeutische Hilfe, stellte sein Leben um, professioneller, gesünder. In Sassuolo fand er neuen Mut, kümmerte sich um Leidensgenossen, um Kinder, die ebenfalls an Krebs erkrankt waren.

Er baute, immer donnerstags, mit behinderten Arbeitern Fischerboote zusammen. Bei Calcio Sassuolo, einem familiär geführten Kleinstadt-Club, fand er seinen Frieden, fünf Jahre spielte er in der Provinz Modena in der Emilia-Romagna. Danach wechselte er zu Lazio Rom, dort leitete Simone Inzaghi die Kicker an, inzwischen Trainer bei Inter.

Acerbi ist längst ein Haudegen: 405 Spiele in der Serie A hat er auf dem Buckel. Zwischen Oktober 2015 und Januar 2019 absolvierte er 149 Spiele am Stück, nie war er verletzt oder gesperrt. Seit 2022 verteidigt er für Inter – und steht nun vor dem krönenden Abschluss seiner langen Karriere. Dass er noch mal im „falschen“ Strafraum auftaucht, ist allemal möglich.
THOMAS KILCHENSTEIN

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