Am Samstag spielt Zverev gegen Flavio Cobolli. © Fouchier
Paris – Als dritten Gang reichlich Cobolli, später dann vielleicht eine große Portion Sinner und zum Abschluss dann Musetti bis zum Abwinken? Für Alexander Zverev hält der mögliche Menüplan auf dem Weg zum French-Open-Titel italienische Delikatessen in Serie bereit. Die immer stärkeren Profis aus dem Tennis-Boomland lassen Roland Garros zum „Grande Slam“ werden – und die deutsche Nummer eins neidisch südwärts blicken. „Ich glaube, in Italien ist momentan einfach die Sportbegeisterung bei allen sehr hoch. Ob es Fußball oder Tennis ist“, sagt Zverev vor seinem Drittrundenspiel gegen Flavio Cobolli am Samstag in Paris: „Und in Italien wird auch sehr viel dafür gemacht, dass der Sport unterstützt wird.“ Anders als in Deutschland? Jedenfalls: Das heutige Jannik-Sinner-Land hat die Boris-Becker-Nation abgehängt, in Roland Garros ist das greifbar.
Vor allem für Zverev: Er muss es zunächst mit Cobolli aufnehmen, der zuletzt Zverevs Heimturnier in Hamburg gewann. „Da habe ich mit Sascha trainiert und war klar unterlegen“, sagt der 23-Jährige: „Aber ich habe hier auf jeden Fall genug Munition, Gelassenheit und Spaß.“ Mit eben jener Mischung ist Cobolli ein Paradebeispiel für Italiens Aufschwung. Der Weltranglistenerste Sinner ist ohnehin das Maß aller Dinge, auf ihn könnte Zverev im Halbfinale treffen. In der anderen Draw-Hälfte spielt der aufstrebene Stopball-Zauberer Lorenzo Musetti. Gar ein italienisches Finale wie beim US-Open-Märchen von Flavia Pennetta und Roberta Vinci 2015 ist nicht unrealistisch.
Zverev will das verhindern, spricht aber hochachtungsvoll über Italiens Tennis-Boom. Er sei zwar kein Intimkenner des dortigen Schulsystems, aber, Schuss ins Azurblaue: „Ich kann mir vorstellen, dass das einfach da gefördert wird. Da können wir uns etwas abschauen“, sagt Zverev: „Für uns ist Sport immer zweitrangig. Deswegen sind andere Länder uns einfach voraus.“ Elf Italiener standen im Pariser Hauptfeld – gegenüber fünf Deutschen.
In der Weltrangliste liegen sieben Italiener in den Top 50 – und fünf Deutsche in den Top 200. Bei den Frauen ist Italien derzeit noch nicht auf dem Zehnerjahre-Niveau, als Schiavone, Pennetta, Vinci und Errani die Grand Slams rockten. In der Weltranglistenvierten Jasmine Paolini gibt es aber auch hier wieder eine (Mit-)Favoritin.
Der Aufschwung ist hausgemacht. Italiens Verband FIT denkt seit der Jahrtausendwende ganzheitlich, unterstützt die privaten Trainerteams der Spitzenspieler, wo bewusst progessiv gedacht wird: „Wir trainieren modernes Tennis“, sagte der Ex-Profi und heutige Coach Filipp Volandri: „Deshalb haben wir Spieler, die nicht mehr italienisch wirken.“
Zudem: „Du kannst in Italien von März bis November eigentlich jede Woche bei einem Profi-Turnier spielen“, sagt Boris Becker, mittlerweile Wahl-Mailänder. Die vielen kleinen Events seien ideal für Jungprofis. Und: Italien denkt groß. Turin richtet mittlerweile das ATP-Finale aus, das Daviscup-Finalturnier mit Titelverteidiger Italien steigt in Bologna, der Hopman-Cup in Bari, Rom hat ein Masters, das gerne Grand-Slam-Turnier werden würde.
SID