Bayerns bestes Argument: Am Ende war auch ein bärenstarker Nick Weiler-Babb (18 Punkte) für die Bayern nicht genug. © IMAGO
München – In den Schlusssekunden versuchten die Basketballer des FC Bayern noch einmal alles, um dem bösen Spiel vielleicht doch noch eine Wende zu geben. Man machte Druck auf die Heidelberger, man spielte mit dem Tempo nach vorne. Doch es nutzte nichts. Weil Heidelbergs Ryan Mikesell eben an der Freiwurflinie den Deckel auf dieses erste Halbfinale setzte. Womit die Runde der letzten Vier gleich einmal mit einer faustdicken Überraschung begann. 95:90 (45:48) setzten sich die Academics Heidelberg beim FC Bayern durch. Womit der Titelverteidiger in Teil zwei am Mittwoch schon einmal kräftig unter Druck steht. Trainer Gordon Herbert war entsprechend genervt: „Wir haben gespielt, um nicht zu verlieren“, sagte er, „nicht um zu gewinnen.“ Heidelbergs Rückkehrer Paul Zipser war da schon ungleich besser gelaunt: „Das ist eine Überraschung, die wir gerne mitnehmen.“
Und es zeigte sich schnell: Herbert hatte nicht zu viel versprochen, als er dieser Tage angekündigt hatte, diese Heidelberger spielen ihren besten Basketball der Saison. Das Team von Trainer Danny Jansson trat den Bayern mit viel Energie entgegen. Man ließ den Ball munter laufen. Und egal ob Marcel Keßen, Michael Weathers oder Mikesell – man fand die guten Wurfgelegenheiten.
Und die Bayern? Hatten vor allem Nick Weiler-Babb. Der Deutsch-Amerikaner schnappte sich Heidelberger Bälle, verteilte Bälle und traf auch. 13 Punkte hatte er schon zur Pause auf der Anzeigetafel stehen – die Münchner Lebensversicherung in Halbzeit eins hieß Weiler-Babb.
Nicht unbedingt verwunderlich, dass in Basketball-Europa ein echtes Wettbieten um den 29-Jährigen entstanden ist. Die AS Monaco buhlt ja schon länger um ihn. Zuletzt gesellten sich dem Vernehmen nach auch Euroleague-Champion Fenerbahce Istanbul und Olympiakos Piräus zum Kreis der Interessenten – drei der vier Final-4-Teilnehmer wollen den besten Defensivspieler von Euroleague und BBL also haben. Und es ist kein Geheimnis, dass Weiler-Babb gegen eine Ablöse von 700 000 Euro aus seinem Vertrag bei den Bayern aussteigen kann.
Am Sonntag war die Frage allerdings auch: Wie würden sich die Kräfteverhältnisse entwickeln? Heidelberg muss in diesen Tagen verletzungsbedingt im Wesentlichen auf die gleichen sechs Kräfte bauen. Keßen beispielsweise schuftete an diesem Nachmittag satte 37 Minuten – von Müdigkeit war nichts zu sehen. Auf Bayern-Seite verlor Herbert zwar Mitte der ersten Hälfte Center-Ass Devin Booker, der umknickte und vom Feld humpelte. Doch als Ausrede für die eher blutleere Leistung seiner Profis wollte er das nicht gelten lassen. „Da musst du eine andere Mentalität entwickeln.“
Auch ohne Booker kann der Münchner Coach immer wieder Qualität nachschieben. Im Wesentlichen sollte Routinier Elias Harris den US-Amerikaner ersetzen. Mit ihm kam zumindest Energie. Doch Heidelberg ließ sich nie abschütteln und gab den Münchnern auf jeden Fall schon einmal eine Botschaft mit auf den Weg: Diese Serie wird eine weitaus mühsamere als es das Viertelfinale gegen den Mitteldeutschen BC gewesen war.
Es entstand eine Schlussphase mit offenem Visier. In denen Heidelberg die faustdicke Überraschung eintütete. Denn die Bayern fanden schlicht kein Mittel gegen Damarieae Horne (26 Punkte) und seinen kongenialen Nebenmann Weathers (23), die den Titelverteidiger von der Dreierlinie regelrecht erlegten. Selbst Zipser fand es verblüffend: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir mit der Offensive hier gewinnen können.“
Und so ließ sich Heidelberg selbst in Foulbedrängnis das Erfolgserlebnis nicht mehr nehmen.
Patrick Reichelt