Dürfen die Oilers-Fans endlich jubeln? Letztmals gewann 1993 mit Montreal ein kanadischer Club – das Land steht trotz der Club-Rivalitäten hinter Edmonton. © IMAGO/Nelson
Vergiss den Fluch: Connor McDavid berührt die Campbell Trophy. © IMAGO/Miron
Besser als der offiziell beste Spieler der Welt: Leon Draisaitl. © Chambers/AFP
Chance zur Revanche: Edmonton trifft im Stanley-Cup-Finale erneut auf Florida. © IMAGO/Miron
München – Das ungeschriebene Gesetz der NHL lautet: Berühre bloß nicht die Campbell Trophy, wenn du sie gewonnen hast. Den klobigen Pokal bekommt das Team, das im Westen der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga das beste ist und sich für das Finale um den Stanley Cup qualifiziert hat. Auch für den Sieger aus dem Osten gibt es ein Trumm von einer Trophäe, doch auch in diesem Fall gilt: Don‘t touch!
Connor McDavid nahm, nachdem die Edmonton Oilers die Dallas Stars in einer 4:1-Serie aus dem Weg geräumt hatten, die Campbell Trophy mit beiden Händen entgegen. Leon Draisaitl trug sie demonstrativ in die Kabine. Ein bewusster Bruch mit Gewohnheiten, eine Herausforderung des Schicksals. McDavid sagte: „Voriges Jahr haben wir die Trophy nicht angelangt – und die Finalserie trotzdem verloren.“ Warum sie diesmal also nicht erfühlen? Wieder geht es in der Best-of-Seven-Serie gegen die Florida Panthers. Schmerzhafter als 2024 kann es nicht werden. Damals gerieten die Oilers 0:3 in Rückstand, glichen zum 3:3 aus und verloren das entscheidende Match 1:2. Sie empfanden es als seelische Grausamkeit.
Es kann nur besser werden, oder? Nach der gewonnenen Serie gegen Dallas zuvor waren Los Angeles 4:2 und Las Vegas 4:1 ausgeschaltet worden –saßen Connor McDavid und Leon Draisaitl nebeneinander, mit Jackett und schon gekleidet für die Rückreise, aber noch leicht verschwitzt. Mit ihren Bärten wirkten sie wie Brüder. McDavid (28) wird allgemein als bester Eishockeyspieler der Welt anerkannt, das Edmonton Journal schreibt aber: „In dieser Saison ist er in seinem Team nur der zweitbeste Spieler.“ Leon Draisaitl (29) aus Köln ist der Co-Superstar und inmitten einer fantastischen Saison, die er „meine konstanteste“ nennt. Die beiden führen die Playoff-Scorerwertung an, doch die Oilers scheinen nun mehr zu sein als zwei Ausnahmekönner, die mehr leisten müssen, als die Kollegen vergurken. In den Playoffs erzielten außer ihnen elf Spieler mehr als drei Tore, die Oilers haben Tiefe entwickelt. Draisaitl übernimmt auch mal primär defensive Aufgaben, und dafür trifft dann einer wie Corey Perry mit seinen 40 Jahren. „Er könnte auch mit 50 noch spielen – müsste sich aber neue Schlittschuhe kaufen“, witzelt Draisaitl. Die Atmosphäre ist gelöst.
„Ich will nicht sagen, dass die Playoffs bisher langweilig waren, aber weniger emotional, sie fühlen sich ziemlich normal an“, erklärt Connor McDavid. Was er ausdrücken will: 2024 wurden die Oilers zu ihrer eigenen Überraschung bis ins Finale getragen, diesmal erschien ihnen der Weg dorthin vorgezeichnet. Leon Draisaitl: „Wir haben sieben Monate darauf hingearbeitet.“ Und auch wenn Florida personell sogar noch stärker ist als im vorigen Jahr, so hat Edmonton durch die leicht bessere Hauptrunde (102:99 Punkte) diesmal den Heimvorteil erspielt (Start in der Nacht zum Donnerstag, 2.00 Uhr MESZ, Sky).
Das Publikum in Edmonton in der Arena „Rogers Place“ gilt als das lauteste der NHL. Und fast ganz Kanada steht hinter den Oilers (trotz der Rivalitäten speziell zu Calgary und Toronto). Letztmals gewann ein kanadischer Club (Montreal) 1993 den Stanley Cup – im Jahr, in dem die Florida Panthers im Zuge der großen NHL-Expansion in die Liga einstiegen. Das Finale Edmonton – Florida (die Panthers spielen in Sunrise) steht auch für die politische Brisanz im Binnenverhältnis der Nachbarländer und für den Kampf Tradition gegen Moderne. In Sunrise kann es schon mal vorkommen, dass im Einkaufszentrum neben dem Eisstadion kurzfristig Tickets verschenkt werden.
Die Serie könnte auch zum deutschen Duell werden. Vor einigen Monaten wechselte der Augsburger Nico Sturm (30) von den San Jose Sharks zu den Florida Panthers. Sturm, der mit Draisaitl früher in der deutschen U20-Nationalmannschaft spielte, hat eine spezielle Rolle. Er soll Bullys gewinnen und die generische Topreihe am Scoren hindern. Allerdings: Er hat keinen Stammplatz. Von 17 Playoff-Spielen der Panthers durfte er nur acht bestreiten, seine Einsatzzeit schrumpfte von zwanzig Shifts und 11:44 Minuten im ersten Spiel auf zuletzt sieben Minuten, für die er neunmal aufs Eis durfte. Zum Vergleich: Draisaitl steht regelmäßig über zwanzig Minuten auf dem Eis. Etwas weniger als in früheren Serien – aber er hatte diese Saison zwei Verletzungspausen, und oft wirkte es, als schone Coach Kris Knoblauch ihn für den großen Showdown. Der nun beginnt.
Die Florida Panthers übrigens haben die von ihnen gewonnene Prince of Wales Trophy nur angeschaut, nicht ertastet.
GÜNTER KLEIN