ZUM TAGE

Mini-EM? Wahre EM!

von Redaktion

Nations League anders betrachtet

Die Nations League ist ein immer noch recht neuer Wettbewerb, wohl nur die Fußball-Nerds mit den eckigen Augen werden aufzählen können, in welchen Jahren sie ausgetragen wurde und wie die Sieger hießen. In Deutschland wurde stets mit gönnerhafter Herablassung über das Format gesprochen. Auch beim alten Haudegen Rudi Völler klingt das durch, wenn er sagt: „Es ist eine Mini-EM.“

Wir möchten heute beherzt dagegenhalten: Die Nations League ist mitnichten eine Mini-EM, sie ist die wahrhafte Europameisterschaft – genau die, mit der wir groß geworden sind. Die geschichtlichen Parallelen springen uns doch geradezu an. Die ersten beiden Austragungen der EM (1960 und 64) ignorierte der DFB komplett, weil Sepp Herberger als Weltmeistertrainer (1954) sich um einen zusätzlichen kontinentalen Wettbewerb nicht scherte. Wie später der Weltmeistertrainer (2014) Joachim Löw. Die Nations League, das waren für ihn Freundschaftsspiele. Als der DFB sich dann unter Helmut Schön ernsthaft qualifizieren wollte (1968), vergeigte er das in Albanien. Hansi Flick zog 2022 nach, gescheitert an Ungarn.

1972 schockverliebte sich Deutschland in die EM. Sie war ein Viererturnier, ein Zwei-Spiele-Quickie im beginnenden Sommer. Damals in Belgien: Beckenbauer – Netzer – Müller, Rambazamba, beste deutsche Nationalmannschaft, die es je gab. Das Viertelfinale war im März in Hin- und Rückspiel ausgetragen worden. 1972 gewann die DFB-Elf in Wembley, 2025 begeisterte sie in San Siro. 1976 brannten sich die wilden Juni-Tage von Jugoslawien ins deutsche Fußballgedächtnis ein. Dieter Müllers Länderspiel-Debüt mit drei Joker-Toren im Halbfinale, im Endspiel das erste große Elfmeterschießen (spontan vereinbart vor dem Anpfiff) zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei. Hängen blieben: Uli Hoeneß‘ Schuss in den Nachthimmel von Belgrad, auf der anderen Seite die Live-Erfindung des Panenka. In welcher Partie ballte sich so viel Geschichtsträchtigkeit, so viel Erinnerungspotenzial?

1980 wurde das EM-Endturnier auf acht Teilnehmer erhöht, später waren es 16, mittlerweile 24. Die Sache dauert vier Wochen, was sich EM nennt, plustert sich auf zur WM, mit vielen belanglosen Spielen. 1972 hingegen war ein Urknall, 1976 ein Urdrama. Und jetzt, Nations League, zeige, ob du so etwas auch kannst. Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11