„Wir dürfen jetzt nicht träumen“

von Redaktion

Paul Zipser über die Playoffs, die Bayern und die Folgen seiner Kopf-OP

Meiner! Im ersten Halbfinale gegen die Bayern war Zipser (r.) – hier gegen Bayerns Jack White – erneut einer der besten Heidelberger. © IMAGO

Heidelberg – Er war für viele der beste deutsche Spieler in der BBL – bis ein gutartiger Tumor in seinem Gehirn seine Karriere beim FC Bayern jäh unterbrach. Jetzt nähert sich der 31-Jährige in Heidelberg ausgerechnet in den Halbfinals gegen München (Spiel 2 Mittwoch, 20 Uhr) der alten Form.

Herr Zipser, Ihr Trainer, Danny Jansson sagte nach dem Sieg in München, alles, was in den Playoffs passiert, ist Zugabe. Wie lange lässt sich das nach solchen Erfolgserlebnissen durchhalten?

Ach, ich glaube, in dieser Serie besteht keine Gefahr, dass wir übermütig werden. Bayern wird sich mit Sicherheit etwas ausdenken. Wir brauchen jetzt nicht anfangen, zu träumen. Die Mannschaft ist sehr jung, wir sind nach Siegen schnell viel zu euphorisch, nach Niederlagen hängen die Köpfe zu tief. Das habe ich den Jungs auch gesagt: Es ist nur ein Spiel. Aber wir haben gezeigt, dass wir sie schlagen können.

Seit Sie verletzungsbedingt mit einer kleinen Rotation spielen, hat die Mannschaft einen Sprung nach vorne gemacht. Kann Personalnot zum Vorteil werden?

Naja, Tatsache ist, dass jeder Spieler seine Rolle genau kennt. Jeder weiß genau, was er zu tun hat. Das gilt auch für mich. Jede Minute, die ich reinkomme, und sei es wie zuletzt auf den großen Positionen, gebe ich alles.

Viele sagen, dass Sie aktuell die beste Version von sich selbst sind seit ihrer schweren Kopf-OP im Sommer 2021.

Das ist auf alle Fälle so. Ich glaube, mir ist es vor allem gelungen, nicht mehr so verbissen zu sein. Ein bisschen Druck herauszunehmen. Dass das jetzt so gut klappt, macht schon was mit einem – ich denke, das hat man gesehen. Das ist schon eine nette Geschichte.

Sind Sie durch diese Gesundheitskrise ein anderer geworden? Definieren Sie Erfolg anders?

Das war und ist sicher in jeder Phase, in der ich war, ein bisschen anders. Jetzt ist das sicher wieder etwas ganz anderes als im letzten Jahr, als ich immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Was mir auch zeigt, dass ich immer wieder zu viel wollte. Aber man muss auch sagen, dass es mir sehr viel besser gelingt, Abstand zu gewinnen. Wenn ich nach Hause komme, denke ich nur noch wenig an Basketball.

Ihr Sohn Luke dürfte ein Übriges dazu tun…

Er hat auch eine Menge Energie, ja. Er hat inzwischen auch den Ball entdeckt. Mit ihm spiele ich viel Fußball. Auch wenn wir noch ein bisschen dabei sind, zwischen Hand und Fuß zu unterscheiden.

Sie haben am Sonntag gesagt, es war das erste Mal, dass es ihnen gelungen ist, auszublenden, dass es gegen Bayern geht. Ist es immer noch ein besonderes Spiel?

Ganz klar, ja. Das sind die beiden Clubs, denen ich alles zu verdanken habe. In Heidelberg habe ich das Spiel gelernt und mich darin verliebt. Bayern war die nächste Stufe, ein anderes Level an Professionalität. Und es war speziell für mich, wie familiär Bayern trotz der Größe ist. Auch bei meiner Kopfgeschichte. Obwohl niemand wusste, wohin das mit mir führen wird, hat man den Vertrag verlängert. Das werde ich nie vergessen. In Heidelberg war es genauso. Man hat mir von Anfang an alle Zeit gelassen.

In München hatten Sie ein überdimensionales Bild der Skyline von Heidelberg im Wohnzimmer. Es ist die Heimat?

Das brauche ich jetzt nicht mehr. Wenn ich mit dem Fahrrad zum Training fahre, dann bin ich in drei Minuten auf der Brücke und habe es in Natura. Aber wenn ich nach München komme, habe ich heimatliche Gefühle. Das sind schon zwei wunderschöne Städte.

Die Halbfinalserie gegen Bayern geht nun Heidelberg weiter. Worauf wird es ankommen?

Auf die gleichen Dinge wie bisher. Wir müssen mit Energie und Fokus spielen. Auch die Rebounds sind ein zentrales Thema. Bayern ist ein großes Team. Aber wir sollten auch daran arbeiten, dass Bayern nicht jedes Mal 90 Punkte macht. Es war schön zu sehen, dass wir auch ein Spiel in der Offensive gewinnen können. Aber die Defensive ist sicher unsere bedeutend größere Stärke.


INTERVIEW: PATRICK REICHELT

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