Jetzt bleibt nur ein Spiel um den dritten Platz: Bis Sonntag muss man bereit sein. © AFP/TOBIAS SCHWARZ
Nagelsmann konnte es nicht verbergen: Seine Mannschaft hatte ihn mit der Leistung gegen Portugal verstimmt. © Matzke
Robin Gosens als Sinnbild des Scheiterns. © AFP
München – Das Final-Four-Turnier der Nations League ist noch nicht vorbei, Deutschland kann am Sonntag (15 Uhr) in Stuttgart ja noch Dritter werden und einen stimmungsvollen Pfingstnachmittag erleben – doch freudige Erwartung war nicht zu verspüren, als sich die Nationalmannschaft nach der 1:2-Niederlage gegen Portugal aus München verabschiedete, um in Herzogenaurach wieder zu sich zu finden.
Ein Spieler sollte eigentlich verabschiedet werden, Nick Woltemade. Es war geplant, dass der Angreifer zur EM-Vorbereitung der U21 weiterreist, wenn das DFB-Team das Finale verpasst. Doch im Laufe des Tages folgte der Sinneswandel. Nagelsmann könnte den außergewöhnlichen Angreifer vom VfB seinem Stuttgarter Publikum bieten, ein Jahr vor der WM gewinnt er weitere Einsicht in die Verwendungsfähigkeit Woltemades – die Extraschicht kommt zumindest dem Youngster da gerade recht. So werdan das nicht viele sehen. Auch der Bundestrainer sieht dem Wochenende nicht unbedingt euphorisch entgegen.
„Psychologisch“, sagt Julian Nagelsmann, „wird das kein Feuerwerk, dass wir um Platz drei spielen.“ Er wird dafür einige Akteure vom FC Bayern und Borussia Dortmund benötigen, für die es nicht das letzte Spiel vor einer langen Sommerpause ist, sondern ein Termin, der auf einmal lästig wirkt, weil es weiter geht für sie zur Club-Weltmeisterschaft in den USA. Und wenn seine Leute nicht mit feurigem Herzen bei der Sache sind, dann kann es werden wie am Mittwochabend. Für einen Moment war Nagelsmann mal so richtig sauer auf seine Truppe. „Der Schlüssel ist, dass wir hundert Prozent geben müssen, wenn du aber in statischen Situationen nicht attackierst, wirst du auch von einer Drittliga-Mannschaft auseinander gespielt.“ Seinen Spielern teilte der Coach das in dieser Direktheit nicht mit, weil er das große Bild sieht und feststellt, „dass die Mannschaft sich entwickelt hat. Ich habe keine Lust, draufzuhauen“. Die Kabinenansprache überließ er seinem Kapitän Joshua Kimmich, der seine durch das 100. Länderspiel gestärkte Autorität wirken lassen sollte. Nagelsmann: „Josh hat wahre Worte gefunden.“
Allerdings: Das Halbfinale gegen Portugal war auch keine Sternstunde des Coachings. Nagelsmanns Wechsel, vorgenommen, als man durch Florian Wirtz 1:0 führte, zerrupften das deutsche Spiel: Die Idee des Bundestrainers, mit Niclas Füllkrug und Robin Gosens „zwei Energieträger“ gegen aufkommende Schläfrigkeit zu bringen, verpuffte. Das 1:1 des portugiesischen Jokers Francisco Conceicao entsprang bezeichnenderweise einer Eins-gegen-eins-Situation eben mit Gosens. Nagelsmann einigermaßen patzig: „Hinterher ist man immer schlauer. Über Wechsel diskutiere ich nicht.“
Auch Systemdiskussionen „mag ich als Trainer nicht“, führte er weiter aus. Vielleicht ist die Dreierkette, mit der man im März gegen Italien drei Gegentore in einer Hälfte kassierte, kein Erfolgsformat. „Du musst die Grundformation mit Leben füllen, dann kann auch ein 8-2 eine Superaufstellung sein.“ So ähnlich hat man das schon von Joachim Löw gehört, wenn er misslungene Vorstellungen zu erklären hatte.
Nun steht Julian Nagelsmann im Fokus: Bringt er es hin, die Laune bis zum Wochenende zu heben und den möglichen Vertrauensverlust in die Nationalmannschaft aufzuhalten? „Mir geht es weniger um Platz drei. Lieber sehe ich ein Topspiel, auch wenn wir Vierter werden. Die Art und Weise ist wichtig. Man kann daran reifen.“ Muss man auch, „denn das übernächste Spiel ist im September schon die WM-Qualifikation“.
GÜNTER KLEIN