Was führt er taktisch im Schilde? 1860-Trainer Patrick Glöckner. © Sampics / Stefan Matzke
München – Dreierkette oder Viererkette? Längst nicht nur unter Fußballnerds, sondern auch in Fankreisen ohne Trainerhintergrund wird mit Leidenschaft über die Mutter aller Taktikfragen diskutiert. Die Viererkette löste in den 90ern die antiquierte Spielweise mit Libero ab, sie gilt als vergleichsweise einfach zu lernen, sorgt für defensive Stabilität und eine Vielzahl an offensiven Ausprägungen. Die Dreierkette dagegen hat den Ruf einer anspruchsvollen, leicht elitären Grundordnung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Im eigenen Angriff tragen sieben Spieler dazu bei, Überzahlsituationen zu kreieren. Schlüsselspieler sind die sog. Wingbacks, die defensiv und offensiv den Unterschied machen können. Wichtig zudem: Die drei zentralen Verteidiger stehen eng, müssen also perfekt aufeinander abgestimmt sein.
Auch beim TSV 1860 wird in diesem Sommer über die Systemfrage nachgedacht. Noch hat sich die Sportliche Leitung nicht öffentlich dazu geäußert, mit welcher Grundordnung der Vorjahres-Elfte künftig für ein stabiles tabellarisches Hoch sorgen will. Trainer Patrick Glöckner wirkt pragmatisch bei diesem Thema. Die verunsicherte Giannikis-Elf stabilisierte er ab Januar, indem er auf die Allzweckwaffe 4-2-3-1 setzte. Später in der Rückrunde stellte er auf 4-4-2 um. Sechs der acht Siege unter seiner Leitung fielen in diese Phase.
Die Dreierkette war bei Glöckner bisher eine Notlösung. Zum Einsatz kam sie, um Spielstände zu korrigieren – zum Beispiel wenn seine Mannschaft hinten lag, was speziell gegen Ende der Saison wieder häufiger der Fall war. Ansonsten haben die Löwen keine sonderlich guten Erfahrungen mit der Dreierkette gemacht. Zwei der übelsten Pleiten setzte es, als Ex-Trainer Giannikis in akuter Personalnot (ohne die verletzten Stammverteidiger Verlaat/Schifferl) Dreierketten gebaut hatte – beim 0:4 zu Hause gegen Verl (3-3-3-1) ebenso wie beim 0:4 in Saarbrücken (3-4-2-1) kurz nach der Winterpause.
Und trotzdem: Es gibt durchaus konkrete Überlegungen, die Löwen künftig auf ein System mit Dreierkette umzustellen – das moderne und dominante 3-5-2 gilt in Fachkreisen als Formation der Zukunft. Aus 1860-Sicht spricht, dass wesentliche Zutaten schon jetzt im noch unfertigen Kader vorhanden wären: drei überdurchschnittliche Innenverteidiger (Schifferl, Verlaat, Dulic), zwei defensive Mittelfeldspieler (Jacobsen plus Maier oder Deniz), ein offensiver Zehner (Deniz oder Guttau, falls er verlängert), dazu die laufstarken und technisch beschlagenen Schienenspieler Kilian Jacob (links) und Tim Danhof (rechts) – sowie das Promi-Sturmduo Volland/Niederlechner. Einzig ein Torhüter fehlt noch – zudem diverse Backup-Lösungen.
Berühmte Trainer, die erfolgreich auf Dreierkette setzen, sind neben vielen anderen Antonio Conte (Neapel, zuvor u.a. Nationaltrainer von Italien) und Xabi Alonso (Meister mit Leverkusen, jetzt Real Madrid) – nicht die schlechtesten Vorbilder. Reiht sich da bald auch Glöckner ein?
ULI KELLNER