ZUM TAGE

Weltmeister-Ideen sind vermessen

von Redaktion

Woche der Fußball-Erkenntnisse

München wird gerade gefeiert als Fußball-Hauptstadt Europas wegen der Fülle an Ereignissen binnen gut einer Woche: Finale in der Champions League, zwei Spiele in der Nations League. Was München dadurch auch ist: Hauptstadt des Erkenntnisgewinns im Fußball. Der aus Deutschland hat mit der Spitze derzeit wenig zu tun.

Schon dass das „Finale dahoam“ ein „Finale neutral“ war, sagt einiges aus. Und wahrscheinlich war es ein Glück für den FC Bayern, nicht der Mannschaft von Paris Saint-Germain ausgeliefert gewesen zu sein. Das Talent, das sich in diesem Kader versammelt und das man sonst nur noch beim FC Barcelona findet, steht weit über dem, was die deutschen Nachwuchsschmieden produzieren. Frankreich, Spanien und das im PSG-Team abgebildete junge Portugal werden den Weltfußball in den kommenden Jahren prägen. Das erste Halbfinale der Nations League hat offenbart, dass Portugals Nationalteam mittlerweile so gut aufgestellt ist, dass es sogar die politische Aufgabe lösen kann, den alternden Superstar Cristiano Ronaldo so mitzuziehen, dass er auch mit 40 Jahren noch gewinnbringend eingesetzt werden kann.

Wer in Bezug auf den deutschen Fußball nicht allzu pessimistisch sein will, wird einwenden: Aber haben wir nicht Florian Wirtz und Jamal Musiala? Ja, haben wir, und sie sind Spieler erlesener Güte. Doch sie finden sich auch in den anderen großen Fußballländern – und dort zusätzlich noch eine Breite an außergewöhnlicher Qualität. In Deutschland geht‘s hinter den paar Topleuten halt schnell in die Niederungen der Bundesliga, zu relativ vielen Stuttgartern oder zu Leverkusener Reservisten.

Julian Nagelsmann hat in einem Punkt durchaus Recht: Deutsche Spieler haben etwas andere Vorzüge, und diese können in günstigen Momenten auch wirken. Niclas Füllkrug beispielsweise ist wahrhaft keine große Nummer in der internationalen Wahrnehmung (siehe seine kaum wahrnehmbare Rolle in der englischen Liga), dennoch hat er auch bei den großen Turnieren eine anständige Torbilanz. Aber: Das Gefüge um ihn herum muss halt komplett stimmen. Und von diesem Idealfall kann man nicht immer ausgehen.

Es ist verständlich, dass der DFB seine Nationalmannschaft nach einigen Jahren der Tristesse in ein schönes Licht zu rücken versucht. Und dass er die Geschichte vom Teamgeist erzählt, der alles möglich macht. Die EM 2024 hat Gutes ausgelöst, aber man blendet aus, dass die spielerische Stabilität dem Wiedermitwirken von Toni Kroos zu verdanken war. Einen neuen Mittelfeldanker hat Nagelsmann nicht gefunden – und es gibt ihn auch nicht.

Es entspricht moderner Motivationslehre, sich hohe Ziele zu setzen – aber dieses so selbstverständlich anmutende Gerede vom Weltmeistertitel 2026 ist anmaßend. Das hat Portugal aufgezeigt und eigentlich auch schon Italien im Viertelfinale. Und: Mit den Heimspielen (EM, Nations League Final Four) ist es jetzt vorbei. Ein wesentlicher Faktor der jüngsten Verbesserungen entfällt. Guenter.Klein@ovb.net

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