Wie der Vater, so der Sohn

von Redaktion

München – Oliver Kahn war in seinem Torhüterleben selten so frustriert wie nach diesem letzten deutschen Gruppenspiel bei der Europameisterschaft 2000 im Rotterdamer Stadion „De Kuip“. Endlich hatte Titan Kahn, damals auch schon über dreißig Jahre alt, ein Turnier als Nummer eins der Nationalmannschaft bestreiten dürfen – und dann endete es im Desaster. Nach einem 1:1-Unentschieden gegen Rumänien und einer 0:1-Niederlage gegen England hätte man mit einem überzeugenden Sieg gegen Portugal noch im Rennen bleiben können, und der abschließende Gegner stellte, da er für die K.o.-Runde schon qualifiziert war, eine B-Mannschaft auf den Platz. Doch diese zerlegte die deutsche Mannschaft mit einem zeternden Kahn komplett. 3:0 – und alle drei Tore erzielte Sergio Conceicao. Ein Viertel seiner Treffer aus 56 Länderspielen resultierte aus einem einzigen Spiel. Seinem besten. Dieser für Portugal für die Tabellenkonstellation belanglose Sieg war dann bis diese Woche in München der letzte gegen Deutschland.

Die Serie von seitdem fünf Niederlagen im Rahmen von Turnieren beendete Portugal mit einem 2:1-Sieg in der Allianz Arena. Den Siegtreffer besorgte Christiano Ronaldo, der am Ende eines kombinatorischen Meisterwerks der Mannschaft stand, doch wichtiger war das Tor zum 1:1. Francisco Conceicao (23), kurz zuvor eingewechselt, überspielte Robin Gosens, den deutschen Verteidiger, und haute den Ball an Marc-Andre ter Stegen vorbei ins Netz. Eine Einzelaktion, die im Kollektiv weitere Angriffswellen auslöste. Und ja: Conceicao. Francisco ist der Sohn von Sergio. Er war noch gar nicht auf der Welt, als sein Vater den großen Auftritt in Rotterdam hatte. Die Geschichte versteht es bisweilen, eine besondere Storyline zu schreiben.

Francisco und Sergio Conceicao sprechen, wie der Junior erzählt, täglich miteinander. Auch am Tag des Spiels war das wieder so. „Es ist ein Ritual, das wir pflegen.“ Sie sind sich nah, ihre Karrieren weisen Parallelen auf. Sergio Conceicao spielte vor allem für italienische Clubs, zuletzt war er Trainer des AC Mailand. Francisco steht bei Juventus Turin unter Vertrag. Meist reicht es für ihn allerdings nur dazu, eingewechselt zu werden. Aber auch daraus kann Gutes entstehen – wie in München. „Es war ein Moment reiner Inspiration“, sagt er zu den Sekunden, in denen er sich von Robin Gosens löste und zum Schuss aus der Distanz entschloss. „Als der Ball den Fuß verließ, wusste ich, dass er reingeht.“ Portugals spanischer Trainer Roberto Martinez hatte zu ihm nur gesagt: „Mach das Beste, was du kannst.“ Daraus entstand, was Martinez „ein historisches Spiel“ nennt. „Wir sprechen oft über das, was vor 25 Jahren war.“ Martinez, der zuvor Belgien coachte, sieht die Arbeit „von zweieinhalb Jahren, von 28, 29 Spielen“ aufgehen. Die Nations-League-Finalteilnahme ist für Portugal ein Erfolg. Der auch die Fans begeistert. Im Stadion waren sie viel lauter als die Deutschen – und noch nachts standen sie in Scharen vor dem Andaz-Hotel, in dem ihre Helden übernachteten.

Vor allem einer: Cristiano Ronaldo. Der 40-Jährige steht weiterhin im Epizentrum. Roberto Martinez kommt mit ihm klar, weil er ihn nicht in Frage stellt. Er lobt: „Cristiano steht nicht auf, um Rekorde zu brechen und etwas abzuhaken. Er will einfach nur besser werden.“
GÜNTER KLEIN

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