Das Trainerduell verloren: Julian Nagelsmann gratuliert Frankreichs Didier Deschamps. © AFP/THOMAS KIENZLE
Vereinszukunft ungewiss: Für Deutschland hielt Marc-Andre ter Stegen aber stark. © Stefan Matzke / sampics
War es ein Strafstoß? Letztlich wurde auf Schwalbe von Karim Adeyemi entschieden. © AFP/THOMAS KIENZLE
Stuttgart – Julian Nagelsmann beschloss die Länderspiel-Saison mit einem Appell an die Medien. Er bat um Milde. „Ein bisschen Freundschaft walten lassen bei der Beurteilung der Spieler. Ihr wollt doch nächstes Jahr auch alle nach Amerika und dort länger bleiben – und nicht nur wegen Las Vegas.“ Selbstverständlich wegen des Fußballs, wegen der WM 2026. Vor einem Jahr sagte der deutsche Bundestrainer, er wolle sie gewinnen.
Die forschen Ansagen haben an Kraft verloren. 1:2 gegen Portugal, 0:2 gegen Frankreich – die Resultate beim Final Four der Nations League, der letzte Platz in diesem Turnier trotz Heimvorteils, legitimieren die Nationalmannschaft gerade nicht, sich als kommenden Weltmeister zu sehen. Klar, Nagelsmann kann auf den Kader, mit dem er die Mini-EM bestritt, verletzt ausgefallenen Stammkräfte von Antonio Rüdiger über Jamal Musiala bis zu Kai Havertz draufrechnen – aber er spürt, dass zum Beispiel bei den Teams, auf die man man in München und Stuttgart traf und bei den Spaniern sowieso weitaus größeres Potenzial vorhanden ist. „Wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung, dass wir das in einem Jahr geregelt kriegen“, sagt er. Er glaubt, dass er seit seinem Amtsantritt im Oktober 2023 und mit seinen Korrekturen in der Kaderstruktur im März 2024 einiges bewirkt hat. „Doch wir können in zwei Jahren nicht die Versäumnisse von acht Jahren aufholen.“
Offensichtlich wurde der Mangel an international konkurrenzfähigen Außenspielern. „Haben wir solche wie Spanien?“, fragte Nagelsmann sich selbst. „Da finde ich wenige.“ Genauer: keine. Leroy Sané und Serge Gnabry enttäuschten schwer, die auffälligere Variante war der Dortmunder Karim Adeyemi, der gegen Frankreich im Spiel um Platz drei einen Strafstoß herausholte, der nach VAR-Intervention vom Schiedsrichter einkassiert wurde wie auch ein Treffer des eingewechselten Deniz Undav, dem allerdings ein Bodycheck von Niclas Füllkrug vorausgegangen war. Adeyemi stand für die Bemühtheit Deutschlands im zweiten Turnierspiel, doch ebenso für die Unzulänglichkeit im Abschluss. „Es hätte schnell 2:0, 3:0 für uns stehen können“, meinte Niclas Füllkrug, „doch das ist ausgeblieben.“ Die Chancen habe man „über Anlaufen und Intensität kreiert, wir waren total gallig auf dem Platz“. Gallig, unangenehm, eklig – das ist die Grundausrichtung, die die Nationalmannschaft anstrebt. Ein Rückgriff in den Instrumentenkasten mit den deutschen Tugenden.
Wie geht es weiter? Nagelsmann erwartet, „dass wir in der WM-Qualifikation durchmarschieren“. Deutschland steigt am 4. September in der Slowakei ein, die weiteren Gegner sind Nordirland und Luxemburg. Niclas Füllkrug blickt zurück auf das gewonnene Viertelfinale der Nations League: „Es war wichtig, gegen Italien weiterzukommen, um der Gruppe mit Norwegen aus dem Weg zu gehen.“ Haaland-Land, Israel, Estland und Moldau wären wirklich unangenehmer gewesen.
Der Bundestrainer hofft für kommende Saison, dass ihm „im Kontaktsport Fußball“ nicht wieder reihenweise Stammspieler wegbrechen wie in den vergangenen Wochen und sich die Vereinssituation bei seinem starken Nummer-eins-Torhüter Marc-Andre ter Stegen (FC Barcelona) schnell klärt („Er hat es verdient, eine Info zu bekommen, wie es weitergeht“). Eine weitere Problemstelle im Kader kann Nagelsmann nicht gebrauchen. Der Sommer 2025 hat gezeigt: Davon gibt es wahrhaft genügend.GÜNTER KLEIN