Stuttgart – Als Deniz Undav in einer Krise steckte, kontaktierte er für einen Ratschlag zwei Leute außerhalb seines Vereins, des VfB Stuttgart. „Ich habe Jo und Sandro gefragt. Und beide haben mir geholfen.“
Jo, das ist Joshua Kimmich vom FC Bayern, sein Mitspieler in der Nationalmannschaft. Sandro, das ist Sandro Wagner, der Co-Trainer beim DFB. Bis zum Sonntag. Da endete mit dem 0:2 gegen Frankreich Wagners Zeit beim Verband. Er wird Cheftrainer des FC Augsburg. Undav sagt: „Wir werden ihn vermissen.“
Bei Julian Nagelsmann hörte sich das nicht so warmherzig an. Der Bundestrainer klang am Samstag irgendwo zwischen sachlich und gleichgültig, als er um eine Abschiedsbemerkung gebeten wurde. „Ich will nicht bewerten, ob das ein guter oder schlechter Schritt ist“, kommentierte er die Clubwahl Wagners, die in der Branche überraschte. „Er hat bei uns einen guten Job gemacht und die Aufgaben gut erfüllt.“ Arbeitszeugnisse sind schon freundlicher verfasst worden. Am Sonntag korrigierte er sich nach oben: „Superjob gemacht.“
Dass Sandro Wagner Cheftrainer werden will, war nie ein Geheimnis. Als Nagelsmann kurz vor dem Nations-League-Viertelfinale im März gegen Italien seinen Vertrag bis 2028 verlängerte, wurde er gefragt, ob auch das Trainerteam mit ihm den Weg zur Europameisterschaft in drei Jahren gehen werde. Er bejahte dies für seine Helfer Benjamin Glück, Andreas Kronenberg (Torhüter) und Mads Buttgereit (Standards) und informierte, dass Wagner über 2026 hinaus nicht beim DFB bleiben werde, weil es ihn in die Bundesliga ziehe. Keine zwei Monate später bat Sandro Wagner den Deutschen Fußball-Bund um vorzeitige Auflösung der Arbeitsbeziehung. Dass er den WM-Zyklus nicht zu vollenden bereit war, hat für Erstaunen gesorgt. Stimmte es etwa nicht zwischen Nagelsmann und Wagner? „Er ist schon auch ein Alphatier, das Chef werden muss“, sagt Nagelsmann über Wagner. Die Gespräche mit Spielern hatten sie sich stets aufgeteilt, doch das Revier war nicht groß genug für sie beide.
Beim DFB landete Wagner früher als Nagelsmann. Erst als Trainer im Nachwuchsbereich und Mitglied des Gremiums, das unter Hannes Wolf die Ausbildung der jungen Spieler reformieren sollte. Im September 2023, am Tag nach der 1:4-Niederlage der A-Nationalmannschaft gegen Japan in Wolfsburg und der Trennung von Hansi Flick, Marcus Sorg und Danny Röhl war er Bestandteil der für das nächste Spiel (2:1 in Dortmund gegen Frankreich) gültigen Interimslösung mit Rudi Völler und Hannes Wolf. Sandro Wagner, von seinen Experten-Jobs bei DAZN und ZDF in eloquentem Auftreten geübt, war der auf dem Trainingsplatz tonangebende Mann. Und erweckte den Eindruck, er würde sich auch Bundestrainer zutrauen. Das wurde kurz danach Julian Nagelsmann, und der hat den zunächst bis zur Heim-EM 2024 abgesteckten Horizont ein zweites Mal erweitert. Der stille Benjamin Glück (39), der neben Wagner Assistent wurde, schien Nagelsmann ( „Er ist seit 12, 13, Jahren meiner Vertrauensperson“) immer näher zu stehen. Mit Benjamin Hübner (35) wird ein Trainereinsteiger – bis vor zwei Jahren spielte er noch –Nagelsmanns Team komplettieren. Benjamin und Benjamin – oder: „Benji“ und „Benni“.
Sandro Wagner fängt nun in Augsburg an. Dort werden ihm Sven Palinkasch (26) und Thomas Kasparetti (41) assistieren. Das taten sie schon in der gemeinsamen Zeit bei der SpVgg Unterhaching (bis 2023).
Gibt es irgendwelche Wünsche, die Julian Nagelsmann seinen Nunmehr-Ex-Mitarbeiter auf den Weg gibt? Einen. „Dass er attraktiven Fußball spielen lässt. Dann kann ich mir da auch ein paar Spiele anschauen.“ GÜNTER KLEIN