„Champions League mit Sternchen“

von Redaktion

Interview zur Club-WM mit Bayern-CEO Dreesen und BVB-Chef Watzke

Gibt in Dortmund die Richtung vor: Aki Watzke. © dpa

Tonangebend bei den Bayern: Jan-Christian Dreesen. © dpa

Club-Weltmeister waren die Bayern zuletzt 2020/21 – im kleinen Format. © Imago

Herr Dreesen, Herr Watzke: Sie beide sind dem Objekt der Begierde schon auf der Club-WM-Pokaltour nahegekommen. Wer hat die Trophäe denn schon angefasst?

Jan-Christian Dreesen: Ich habe ihn zumindest schon gesehen und ein Foto gemacht (lacht). Anfassen darf man das Original ja nicht. Ich muss sagen: Er sieht beeindruckend aus – und es wäre schön, ihn bald hier bei uns an der Säbener Straße stehen zu haben.

Hans-Joachim Watzke: Bayern ist ja auch immer näher dran, Trophäen zu gewinnen: Vielleicht gibt es da vom Selbstverständnis her weniger Hemmungen (lacht).

Dreesen: Einen Mangel an Selbstbewusstsein hast du sonst aber nicht, Aki! (lacht)

Den früheren Club-WM-Pokal hat der FC Bayern bereits zweimal gewonnen. Welche Erinnerungen haben Sie an die Triumphe in Marrakesch und Katar?

Dreesen: Ich habe eine unglaublich intensive Erinnerung besonders an unseren ersten Sieg in Marrakesch. Wir haben eine beeindruckende Serie gespielt, mit der Krönung durch die Club-Weltmeisterschaft. Ich sage dazu aber rückblickend lieber Weltpokal, denn es hatte noch nicht die sportliche Herausforderung einer Weltmeisterschaft, so wie das jetzt im neuen Format der Fall ist. Beim letzten Mal fiel der Titel in die Corona-Zeit, da haben wir unfassbar guten Fußball gespielt, aber es haben die Fans gefehlt. Deshalb war die Atmosphäre eine andere.

Watzke: Die eigentliche Leistung im alten Format war es, zuvor die Champions League zu gewinnen. Beim früheren Weltpokal wusste man, dass in den allermeisten Fällen die europäische Mannschaft gewinnen wird. Jetzt hat die Club-WM eine eigenes Format, eine eigene Geschichte, einen echten Konkurrenzkampf.

Was würde in diesem neuen Format ein erfolgreiches Abschneiden für Sie bedeuten?

Watzke: Es ist wie in der Champions League: Wir wollen die Gruppenphase überstehen und danach vom Achtel- ins Viertelfinale und vom Viertel- ins Halbfinale. Und so weiter. Aber wir dürfen nicht denken, dass uns nur die europäischen Teams gefährden können. Jedes der vier brasilianischen oder argentinischen Teams würde beispielweise in der Bundesliga eine gute Rolle spielen – und wir verlieren ja auch mal gegen Bundesliga-Teams. Sogar dem FC Bayern passiert das.

Dreesen: Es wird sportlich ein völlig neues Niveau. Wir sind mit zwölf europäischen Teams da: Real Madrid, Manchester City, die Champions League-Finalteilnehmer Inter Mailand und Paris Saint Germain und viele mehr. Dazu kommen Teams aus Asien und Afrika und vor allem südamerikanische Mannschaften, die vor Ort von vielen Fans getragen werden. Unser Anspruch ist immer, Titel zu gewinnen. Aber zunächst gilt es, die Gruppe zu überstehen und die K.o.-Phase zu erreichen.

Wer ist Ihr Favorit?

Dreesen: Es gibt nicht den einen Top-Favoriten. Aber die Paarung Inter Mailand gegen Paris hätten wohl auch die wenigsten für ein Champions-League-Finale vorhergesagt. In den K.o.-Spielen ist nicht ausgeschlossen, dass ein starker Südamerikaner auch mal einen starken Europäer rauswirft. Am Ende glaube ich aber schon, dass zumindest ein Europäer im Finale steht, vielleicht zwei.

Watzke: Normalerweise hätte ich immer Real und ManCity gesagt. Beide haben aber keine besonders gute Saison gespielt. Paris hingegen hat sich fußballerisch neu erfunden und ist stärker denn je. Eine Top-Mannschaft, die erstmalig bereit ist, bis zum letzten Blutstropfen zu rennen. Für mich die, der ich am meisten zutraue.

Aus Dortmund gibt es keine Titelansage?

Watzke: Nein, nein, das gibt es von mir nicht.

Dreesen: Ich würde es von uns auch nicht als Ansage formulieren – aber keiner von uns fährt dahin und will nicht gewinnen.

Watzke: Zumal beide Clubs im vergangenen Jahr unter den besten Vier in Europa waren. Wir müssen nicht so tun, als würden wir als krasser Außenseiter dahinfahren. Wir sind aber nicht Favorit.

Dreesen: Wir auch nicht! Aber wir müssen ja ein Ziel formulieren – im Bewusstsein, dass der Weg weit ist.

Also ist auch der Titel mehr wert als früher?

Dreesen: Viel mehr! In jeder Hinsicht: sportlich ist es eine echte Herausforderung – und man kann das erste globale Turnier über alle Kontinente hinweg gewinnen. Das wäre historisch.

Watzke: Jeder Fußball-Enthusiast weiß noch, dass Uruguay die erste WM 1930 gewonnen hat. So wird es in Zukunft auch mit dem ersten Sieger der Club-WM sein.

Nehmen Real und ManCity das Turnier ähnlich ernst wie Sie?

Watzke: In Europa sind alle Clubs heiß wie Frittenfett. Da wird keiner eine Sekunde lang nachlassen.

Dreesen: Real hat selbst unseren Beckenbauer-Cup so ernst genommen, dass sie noch zwei Spieler mehr mitnehmen wollten. Die treten überall an, um zu gewinnen. Außerdem ist es ökonomisch hochattraktiv.

Knapp 100 Millionen Euro könnten gewonnen werden. Was ging Ihnen zum ersten Mal durch den Kopf, als sie diese Summe gehört haben?

Watzke: Die Summe ist natürlich hoch, aber man muss sie vierteilen. Schließlich findet die Champions League jedes Jahr statt – und die Club-WM nur alle vier Jahre. Außerdem bedeuten mehr Pflichtspiele höhere Leistungsprämien für Spieler, dazu kommen die extrem hohen Reisekosten. Mir geht es nie in erster Linie ums Geld, sondern um den sportlichen Erfolg. Der ist unser aller Antrieb.

Dreesen: Das Startgeld beträgt knapp 30 Millionen Euro. Wenn man das durch vier teilt, bleiben knapp 8 Millionen. Wer glaubt, dass dadurch der Wettbewerb in der Bundesliga verzerrt wird und man sich dadurch Topspieler finanzieren kann, irrt. Wir werden keinen Transfer-Unfug machen, nur weil wir Teilnehmer der Club-WM sind.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die hohe Belastung der Spieler.

Dreesen: Die FIFA hat zum ersten Mal einen Nationalmannschaftswettbewerb zugunsten des Club-Fußballs abgeschafft, nämlich den Confed-Cup. Das ist auch geschehen, um die Zahl der Spiele nicht weiter zu erhöhen und die Belastung für die Spieler einzugrenzen. Sonst würden in diesem Sommer unsere Nationalmannschaftsspieler wieder in der Welt umherreisen. In der ganzen Debatte um die Belastung der Spieler findet das viel zu wenig positive Beachtung.

Watzke: Natürlich dürfen nicht noch mehr Wettbewerbe und Spiele dazukommen. Ich habe aber viele Jahre für diese Club-WM gekämpft und sehe sie als Lösung einer vorherigen Asymmetrie. Wir haben eine Europameisterschaft und die Champions League, hatten zuvor eine WM der Nationalmannschaften, aber kein Vereins-Pendant. Das ist nun durch die Club-WM endlich geschaffen worden. Und die Wertigkeit dieses Turnier wird sich in den nächsten Jahren immer weiter hochschaukeln. Das ist eine Champions League mit Sternchen. Die Welt ist inzwischen global, die Boca Juniors oder Palmeiras träumen seit Jahrzehnten von einem Pflichtspiel gegen Real Madrid.

Haben Sie inzwischen genug Werbung für die Club-WM gemacht?

Watzke: Ich erwarte eine Entwicklung wie beim neuen Champions-League-Format. Da haben wir am Anfang auch nur aufs Dach gekriegt – bis die Leute eingeschaltet haben und es toll fanden. Sogar die Medien waren begeistert von der Spannung, die am letzten Spieltag herrschte. Spätestens ab der K.o.-Runde, das glaube ich jedenfalls, werden die Fans begeistert sein.

Dreesen: Wir wollen gewinnen, es geht um viel Geld, aber wir treten auch als Botschafter des deutschen Fußballs an.

Die Saison-Vorbereitung wird durch die Club-WM stark verkürzt.

Dreesen: Womöglich ist das für die Konkurrenten im nationalen Wettbewerb ein Vorteil. Unsere Spieler haben weniger Regeneration.

Watzke: Da gehe ich mit. Trotzdem werden die Spieler nach unserer Rückreise auf jeden Fall genug Urlaub bekommen. Die Trainer sind dann gefragt, die etwas kürzere Vorbereitungszeit etwas anders zu gestalten.

Dreesen: Wir haben natürlich viele Nationalspieler. Aber wichtig ist mir dieser Punkt vor allem, weil mich das ewige Lamentieren zum Thema verzerrter Wettbewerb ob der Prämien aus der Club-WM nervt. Dem nämlich trete ich entschieden entgegen.

Teilen Sie Karl-Heinz Rummenigges Einschätzung, dass die Spieler auch mehr Spiele aushalten müssen, wenn sie immer besser dotierte Verträge verlangen?

Dreesen: Karl-Heinz wollte damit zum Ausdruck bringen, dass das Geld irgendwo herkommen muss. Dafür braucht es attraktive Wettbewerbe, in denen viel Geld zu verdienen ist. Wenn ich die Gehälter bezahlen muss, muss ich das Geld auch verdienen.

Watzke: Wir warten ja immer noch auf den Moment, an dem die Berater oder der Mannschaftsrat zu uns kommen und sagen: Passt auf, ihr sorgt dafür, dass wir 25 Prozent weniger Spiele haben – und wir versprechen euch, dass wir 25 bis 30 Prozent weniger verdienen wollen (lacht) .

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