Zweimal gewann van der Linde das Rennen auf dem Nürburgring. © IMAGO/Augst
Nächstes Jahr im Hypercar? Kelvin will wie Bruder Sheldon um den Gesamtsieg kämpfen. © IMAGO/Jimenez
Die letzte Kurve: Etwa 280 Mal durchfahren Kelvin van der Linde und Co. in 24 Stunden die so genannte Ford-Schikane. © IMAGO/LE GALLIOT
Dieses Trio soll es richten: Kelvin van der Linde (v.l.), Valentino Rossi und Ahmad Al Harthy. © IMAGO/Jimenez
Le Mans – Privatwagen, Hotel, Fahrerlager, Boxengasse, Rennstrecke. Dort ist der BMW-Pilot Kelvin van der Linde in den kommenden drei Wochen zu Hause. Es wartet eine „riesige Herausforderung“ auf ihn. Mit den 24 Stunden von Le Mans, den 24 Stunden auf dem Nürburgring und den 24 Stunden von Spa stehen an den nächsten drei Wochenenden die drei größten Langstreckenrennen der Welt an. Und van der Linde ist einer der wenigen Fahrer, der bei jedem dieser Rennen startet. Wie er das durchsteht? „Weiß ich noch nicht“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung knapp und lachte. „Das mache ich jetzt auch zum ersten Mal. Aber ich bin fit und vorbereitet.“
Bereits vor einer Woche ist der Südafrikaner, der vor allem durch die DTM in Deutschland große Bekanntheit erfuhr, in Le Mans angekommen. Dort schwenkt am Samstag (16 Uhr) kein Geringerer als der 20-malige Grand-Slam-Sieger, Roger Federer, die Startfahne. Dann wird es ernst: Immer wieder ist für zwei Stunden am Stück volle Konzentration bei extremen Bremsmanövern, engen Schikanen und schnellen Kurven angesagt. Nach dem Fahrerwechsel kann sich van der Linde immerhin vier Stunden ausruhen, bevor er sich wieder ans Steuer setzt. Insgesamt ist er also acht Stunden im Einsatz, Schlafmangel ist vorprogrammiert.
Diese Strapazen nimmt der amtierende DTM-Vizemeister aber gerne auf sich. Viel Prestige kann er vor allem in Le Mans erlangen. „Man spürt schon das Le-Mans-Fieber an der Strecke. Das Rennen ist weltweit bekannt. Auch Hollywood-Stars schauen sich das vor Ort an“, sagte van der Linde, nachdem er mit dem Fahrrad eine Runde über die gut 13 Kilometer lange Rennstrecke gedreht hatte. Ihn fasziniert vor allem „die Historie, die das Rennen mit sich bringt, und die Mischung aus Prototypen und GT-Fahrzeugen“ und gerät ins Schwärmen: „Wenn man die Mulsanne-Gerade in der Nacht um 2 Uhr fährt, dann ist das auch ein ganz besonderes Gefühl.“
Sportlich geht es für den 28-Jährigen in Le Mans allerdings nicht um den Gesamtsieg, er fährt im ersten Jahr nach seinem Wechsel von Audi zu BMW erst einmal in der GT3-Klasse – und das mit einem prominenten Teamkollegen. Der sechsmalige Moto-GP-Weltmeister Valentino Rossi ist mittlerweile sogar auf vier Rädern recht erfahren und feierte im GT3 schon einige Siege. „Er ist wahnsinnig talentiert“, musste auch schon van der Linde anerkennen. Natürlich gibt er dem 46-Jährigen Tipps, aber „er hat ja mehr Erfahrung mit dem Auto als ich. Also frage ich ihn auch nach seiner Meinung.“
Für das erste der drei großen Kräftemessen klingt Kelvin van der Linde nicht gerade euphorisch. „Ich glaube nicht, dass wir aktuell die Schnellsten sind. Aber Speed ist nicht das Allerwichtigste“, lautete seine Einschätzung. Es gehe eben auch um die Ausdauer. Im vergangenen Jahr stand das Team auf dem Podium, das sei auch für dieses Jahr das Ziel.
Nach Le Mans geht es für den Südafrikaner sofort weiter zum Motorsport-Mekka Deutschlands. Der Nürburgring ist sein persönliches Highlight. „Das ist immer noch eine einzigartige Rennstrecke, die nur selten im Jahr benutzt wird“, beschreibt der zweimalige Gesamtsieger (2017 und 2022) die Nordschleife: „Mental ist die Belastung sehr hoch“ bei dem Rennen mit wechselnden Wetterverhältnissen, vielen verschiedenen Klassen und hunderttausenden Fans um den Ring.
Den Abschluss macht das größte GT3-Rennen der Welt. Dort starten 76 GT3-Autos – Rekord! „Physisch ist Spa das anspruchsvollste, weil man es wie ein Sprint-Rennen angehen muss. Da geht es hart zur Sache, die Tür-an-Tür-Duelle machen den Reiz aus“, so van der Linde.
Drei Wochen Strapazen und eine nicht absehbare emotionale Achterbahnfahrt liegen aber nicht nur vor dem 28-Jährigen. „Die Mechaniker arbeiten viel härter als wir über die drei Wochen. Sie reisen früher an und reisen nach uns ab, verbringen also eine viel längere Zeit an der Strecke. Das sind die Helden“, huldigt er die Menschen, die an den Autos arbeiten.
Nach Spa haben Fahrer, Ingenieure und Mechaniker immerhin etwa zehn Tage Pause, bevor der Rennalltag in der Langstrecken-WM WEC mit den sechs Stunden von Sao Paulo weitergeht.ALEXANDER VORMSTEIN