Draisaitl und das Oilers-Wunder

von Redaktion

Edmontons Auferstehung in der Finalserie um den Stanley Cup – Held Pickard

Der Jubel nach seinem unmöglichen Siegtor: Leon Draisaitl. © dpa/Nathan Denette

Sunrise/München – „This is a miracle“ rief der amerikanische Fernsehkommentator aus. Ein Wunder. Das war es: Wie dieses Spiel, das vierte der Finalserie um den Stanley Cup, lief – und wie es entschieden wurde: Durch Leon Draisaitl, den „Big German“, in der Verlängerung zum 5:4. Er hielt seine Edmonton Oilers am Leben, in der Serie, die sich zu Gunsten des Cup-Verteidigers Florida Panthers zu entwickeln schien, steht es nun 2:2. Das Edmonton Journal titelte: „Auferstehung von den Toten.“

Denn es stand schlecht um Leon Draisaitl und die Oilers, die das Spiel zuvor vernichtend 1:6 verloren hatten. Im ersten Drittel ging es genauso weiter. die Florida Panthers nutzten vor den Augen von Popstar Taylor Swift und Boyfriend Travis Kelce in Sunrise jede Undiszipliniertheit, erspielten sich 13 Großchancen (Edmonton eine) und führten 3:0. Oilers-Trainer Kris Knoblauch wechselte den Torhüter – und leitete das Comeback ein. Im zweiten Drittel glich sein Team zum 3:3 aus, Draisaitl bereitete zwei Treffer vor. Die Oilers gingen in der 54. Minute in Führung, konnten sie aber nicht halten. Floridas 4:4 fiel 20 Sekunden vor der Schlusssirene. Also Overtime – und die entschied Draisaitl in der 12. Minute. Auf die verrückteste Art: Er führte den Schläger mit einem Arm, schloss mit der Rückhand ab – extrem unwahrscheinlich, den Puck so an einem Weltklassemann wie Floridas Sergej Bobrovsky vorbeizubringen. Draisaitl gelang es.

Die Geschichte des Wunders schrieb aber nicht Draisaitl alleine. Nach dem Match stürmten alle auf Calvin Pickard zu, der nach 20 Minuten Stuart Skinner im Tor der Oilers abgelöst hatte. Pickard (33) war zwar einmal Weltmeister mit Kanada (2016), doch vor fünf Jahren reichte es zwischenzeitlich nur noch zu einem Job in Österreich, sein zwei Jahre älterer Bruder Chet war ebenfalls Torwart und meist nur Ersatz auf seinen Deutschland-Stationen Iserlohn, Mannheim, Wolfsburg. Calvin Pickard gilt vielen als Nicht-NHL-tauglich, doch in diesen Playoffs hat er seine Momente. In der ersten Runde gegen Los Angeles kam es nach zwei Niederlagen der Oilers ins Spiel, gewann die nächsten vier Partien und auch die ersten zwei gegen Vegas. Dann verletzte er sich, fiel drei Wochen aus. Gegen Florida nun die Rückkehr – und wieder ein Sieg.

Leon Draisaitl entschied bereits zum zweiten Mal ein Spiel dieser Finalserie in der Verlängerung. Sturmkollege Ryan Nugent-Hopkins schwärmte: „Leon ist ein Tier, ein Arbeitspferd, auf das man sich immer verlassen kann. Und er macht die großen Dinger.“ Draisaitl sagte über das irre verlaufene Spiel: „Wir wollen in solche Situationen nicht zu oft geraten. Doch wenn es passiert, sind wir groß darin.“

Mit Gleichstand geht es nun in Spiel fünf (Sonntag, 2.00 Uhr MESZ) in Edmonton. Die kanadische Stadt bebt vor Teilnahme. Ein klassischer Chor gab ein Konzert, in dem Carl Orffs „Carmina Burana“ zum Oilers-Song umgetextet wurden, der Dirigent trug bei der Vorführung ein Trikot von Superstar Connor McDavid. Letztmals ging 1990 der Cup nach Edmonton.

Die Oilers 2025 beschwören ihren besonderen Geist, um die Durststrecke zu beenden. Nach dem 1:6-Einbruch hatte die Mannschaft am freien Tag unangekündigt und ohne Presse trainiert, nach dem 0:3-Drittel in Spiel vier hielten der älteste Spieler, Corey Perry (40), und einige andere Routiniers kurze Ansprachen. Verteidiger Jake Walman, später Schütze des Spiels, weiß nun: „Wir sind nie aus dem Spiel.“GÜNTER KLEIN

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