Alex Wilke macht während ihrer Profi-Karriere ein Referendariat. © IMAGO/Zimmermann
Hamburg – Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft der Frauen reitet seit einiger Weile auf einer Erfolgswelle. Nach zwölf Jahren ohne Endrundenteilnahme qualifizierte sich das DBB-Team 2023 erstmals wieder für eine Europameisterschaft. Was im Anschluss folgte, hatte der deutsche Frauen-Basketball bis dahin noch nicht erlebt: Rang sechs bei der EM bedeutete einen Platz beim Olympia-Qualifikationsturnier, wo das Team um WNBA-Stars Satou Sabally und Leonie Fiebich die erste Olympia-Teilnahme in der Geschichte klar machte.
Doch nun könnte der stetige Aufstieg vom No-Name-Team zu einem Medaillen-Kandidaten ins Stocken geraten: Bei der am Donnerstag in Hamburg startenden EM muss das DBB-Team gleich auf mehrere Leistungsträgerinnen verzichten. Satou Sabally sagte ihre Teilnahme bereits im Mai ab und Schwester Nyara fällt aufgrund anhaltender Knieprobleme aus. Zu allem Überfluss verletzten sich Kapitänin Marie Gülich (Kreuzbandriss) und Defensivspezialistin Alina Hartmann (Meniskusverletzung) in der Vorbereitung.
Das ambitionierte Ziel („eine Medaille“) will Alexandra Wilke aber nicht korrigieren: „Klar haben wir uns das Ziel gesetzt, als wir noch dachten, der Kader würde anders aussehen. Aber ich glaube nicht, dass man jetzt die Erwartung anpassen muss.“ Die 28-Jährige erlebte den Aufschwung der Nationalmannschaft hautnah mit, ihr Hunger nach Erfolgen wurde immer größer. „Lasst uns jetzt endlich auch mal was mitnehmen, was man sich um den Hals hängen kann“, gibt sich die 49-malige Nationalspielerin selbstbewusst. Dabei trägt sie beim Gespräch mit unserer Zeitung bereits ein besonderes Andenken um den Hals. Die olympischen Ringe erinnern an das sensationelle Erreichen des Viertelfinals in Paris.
Wilke gehört zu den wenigen Nationalspielerinnen, die in der Tristesse der deutschen Liga (DBBL) auf Korbjagd gehen. Für sie stand ihr Lehramtsstudium „immer an erster Stelle“. Nach ihrem Abschluss entschied sie sich für einen Wechsel zum DBBL-Topteam nach Keltern, wo sie sich zum einen im Eurocup auch international zu einer Leistungsträgerin entwickelte. Zum anderen absolviert sie dort quasi nebenbei ihr Referendariat: „Ich brauche was für den Kopf nebenher. Es ist zwar anstrengender als nur Basketball zu spielen, aber ich weiß, wofür ich es tue“, so die angehende Gymnasiallehrerin für Mathe und Sport.
Für ihren Beruf nimmt sie die Unattraktivität der Liga in Kauf und äußert sich genervt: „Wir sagen immer, wir wollen die Liga weiter professionalisieren, aber tun nichts dafür.“ In der kommenden Saison werden nach aktuellem Stand lediglich zehn Teams in der eigentlich für 14 Mannschaften ausgelegten DBBL starten – ein Armutszeugnis. Wilke befürwortet dagegen die sogenannte „Deutschen-Regelung“, nach der künftig mindestens fünf Spielerinnen im Kader einen deutschen Pass haben müssen.
Die Diskrepanz zwischen dem grauen Liga-Alltag und den im Vergleich dazu fast schon glamourösen Erfolgen der Nationalmannschaft ist enorm. Mittlerweile füllt das DBB-Team auch größere Hallen. „So viele Kinder und Leute, die Autogramme und Fotos wollen, gab es vor zwei Jahren noch nicht“, ordnet Wilke ein.
Sportlich will sie gleich zum EM-Auftakt am Donnerstag gegen Schweden (20 Uhr/MagentaSport) den Grundstein für das Viertelfinale legen. Dabei ist die Nationalmannschaft neben den WBNA-Stars Fiebich und Luisa Geiselsöder auch auf zwei große Talente angewiesen. Frieda Bühner (21) und Clara Bielefeld (17) stachen schon in der Vorbereitung heraus und wollen sich nun auf der großen Bühne beweisen – ein Jahr vor der Heim-WM.ALEXANDER VORMSTEIN