ZUM TAGE

Legendenstatus ist noch immer möglich

von Redaktion

Titelloser Eishockeystar Draisaitl

Bei Günther Jauch könnte das eine Frage der höheren Mittelklasse sein: Welcher US-Bundesstaat oder welche kanadische Provinz hat in den vergangenen paar Jahren am häufigsten den Sieger in der berühmten Eishockey-Profiliga NHL gestellt? Wer nun überlegt, welchem Landstrich er die großen und traditionsreichen Namen wie Boston, Chicago, Pittsburgh, Montreal, Toronto zuordnet, ist auf dem falschen Weg. Denn der neue „Hockey State“ ist Florida. 2021 und 22 gewannen die Tampa Bay Lightning den Stanley Cup, 2024 und 25 die Florida Panthers, die den Markt um Miami und Fort Lauderdale herum bespielen. Was auch ins Bild passt: 2023 ging die Trophäe nach Las Vegas, Nevada. Die vor gut 30 Jahren auf den Weg gebrachte große Expansion hat die NHL an Stränden und in der Wüste etabliert.

Aus dem deutschen Blickwinkel wirken die gescheiterten Versuche von Leon Draisaitl, den Stanley Cup zu gewinnen, daher besonders dramatisch. Denn der Kölner spielt für die Edmonton Oilers, die kein irgendwohin gepflanztes Kunstprodukt sind, eine klare Identität (die Verbindung zum Öl im Boden von Alberta) und eine glorreiche Geschichte (die Wayne-Gretzky-Ära der 80er-Jahre) haben. Eishockey wird dort sicher anders gefühlt, es ist Lebensinhalt der Stadt und nicht nur ein Baustein im Entertainment-Angebot. Im europäischen Sportsystem könnte der Standort Edmonton eine ganz andere Kraft entfalten. Nur, nordamerikanische Ligen funktionieren anders: Alle (im Eishockey 32) Clubs bewegen sich in einem vergleichbaren Gehaltskorridor, der streng überwacht wird. Wer seine besten Spieler angemessen gut bezahlt (die Gehälter werden veröffentlicht), muss auf vielen anderen Kaderpositionen sparen. Der Salary Cap und das Trade-System sorgen dafür, dass keiner einfach aufrüsten kann und schützen jeden Club davor, auszubluten. Vorteil aus dieser Reglementierung: Daraus entwickelt sich ein dichter Wettkampf. Gewöhnungsbedürftig allerdings: Der höchste Preis, der Gewinn des Stanley Cup, bleibt manchem Topspieler verwehrt, während ihn ein individuell schlechterer aus der vierten Reihe in die Höhe wuchten darf. Eventuell gar mehrmals-

Zurück zu Leon Draisaitl: Ihn hat der Draft 2014 nach Edmonton gespült, man hat als Spieler zunächst keinen Einfluss auf seinen Weg. Aber er hat sich mit seinen beiden großen Abschlüssen (2017, 2025) für jeweils acht Jahre an die Oilers gebunden. Verzweifeln muss er auch mit knapp 30 noch nicht. Mit ihm und Connor McDavid sind die Oilers kontinuierlich besser geworden – und man muss sich in diesem Sport zum langfristigen Denken und Arbeiten zwingen. Der in dieser Saison für die Verbesserung des uralten Gretzky-Torrekords gefeierte Alexander Ovechkin arbeitete 14 Jahre auf seinen Cup-Sieg mit Washington hin. Auch seine Vereins-Loyalität machte ihn letztlich zur Legende. Das kann Leon Draisaitl auch noch werden, wenn er die Oilers erlöst. In Florida kann man allenfalls Champion werden.

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