Modra – Schon seit Tagen bekommt Nicoló Tresoldi sein Dauergrinsen nicht mehr aus dem Gesicht. EM-Debüt, Premierentreffer, Gruppensieg – und jetzt auch noch dieses ganz besondere persönliche Duell. „Die sollen herkommen. Ich habe richtig Bock“, sagte der Deutsch-Italiener vor dem Klassiker am Sonntag (21.00 Uhr/Sat.1) in Dunajska Streda gegen sein Herkunftsland.
Der Sohn eines Italieners und einer Argentinierin wurde in Cagliari auf Sardinien geboren. Sein Opa war glühender Milan-Fan und Golf-Lehrer von Marco van Basten und Ruud Gullit, Papa Emanuele in den 90ern sogar selbst Fußball-Profi, unter anderem bei Atalanta Bergamo. „Er hat früher die Flanken geschlagen und ich habe die Kopfballtore gemacht“, erzählt Tresoldi, der auch Tennis-Profi hätte werden können.
Als seine Mutter als Flugbegleiterin einen Job am Airport Hannover erhielt, siedelte die Familie nach Niedersachsen über. Bei 96 durchlief der Mittelstürmer ab 2018 alle Jugendmannschaften, wurde 2022 Profi, erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft und feierte noch im selben Jahr seine Premiere im DFB-Trikot.
„Es fließt schon einiges italienisches Blut in mir. Aber ich habe mich hier von der ersten Sekunde an sehr wohl gefühlt“, sagte Tresoldi. Er sei früher „ab und an im San Siro gewesen“, die Serie A sei „vielleicht irgendwann ein Traum“, im Sommer wechselt er aber erst einmal für eine Rekordablöse von Hannover zum belgischen Vizemeister Club Brügge.
In 14 U21-Spielen traf Tresoldi bislang sechs Mal, ist bei Trainer Antonio Di Salvo gesetzt. „Wegen ihm habe ich mich für Deutschland entschieden. Er war bei meiner Familie und ich war zufrieden mit dem, was er gesagt hat“, sagte Tresoldi, der zukünftig auch für die italienische oder sogar argentinische Nationalmannschaft auflaufen könnte, über die besondere Verbindung zum Coach.
Denn auch Di Salvo hat italienische Wurzeln. 1970 waren seine Eltern von Sizilien nach Bad Lippspringe gezogen, neun Jahre später kam der heutige DFB-Coach in Paderborn zu Welt. Das Viertelfinal-Duell sei „natürlich etwas ganz besonderes“, sagte der 46-Jährige: „Ich trage die deutsche und italienische Kultur in mir, empfinde das als Privileg, dass ich viele Dinge vereinen kann.“
Die Italiener haben „eine hervorragende Mannschaft“, kassierten in der Vorrunde nur einen Gegentreffer. „Das wird ein Spiel auf Augenhöhe, sie verteidigen Mann gegen Mann, sind sehr flexibel“, sagte Di Salvo, der nach seiner Komplett-Rotation zuletzt wohl auch wieder auf Tresoldi setzen wird. Der Vorteil: „Mit ihm haben wir wenigstens einen auf dem Platz, der mit denen kommunizieren kann, falls mal etwas schiefläuft“, scherzte Nick Woltemade über seinen kongenialen Sturmpartner.