Immerhin, so kann man bei der Betrachtung dieses Falles sagen, hat Marc-Andre ter Stegen einen Standortvorteil. Geht man nach allem, was man aus Spanien so hört, also davon aus, dass die Nummer eins der deutschen Nationalmannschaft ihren Stammplatz im Tor des FC Barcelona an den hochtalentierten Neuzugang Joan Garcías verlieren wird, bleibt ihm womöglich immerhin noch jene Rolle, die er aus seinen Anfängen bei Barça kennt. Als ter Stegen 2014 aus Gladbach kam, durfte der damals 22-Jährige im Schatten von Claudio Bravo eine Saison lang erst mal „nur“ in den Pokal-Wettbewerben ran. Eine alte Torwart-Tradition in Spanien, die große Bühne für den zweiten Mann. Und trotzdem: eine miserable Aussicht für einen gestandenen Spieler wie ter Stegen. Wer 33 Jahre alt ist und Kapitän in Barcelona, hat doch andere Ansprüche.
Man muss inzwischen kein Hellseher mehr sein, um zu erahnen, dass das Drama um ter Stegen sich mindestens im zweiten Akt befindet. Und leider wird auch die Rückendeckung aus Vereinsreihen – Präsidentschaftskandiat Victor Font nannte den Umgang mit dem DFB-Keeper „Mobbing“ – wenig helfen, die Personalie zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen. Da ist ein Verein, der sich a) in Finanznot befindet, sich b) für die Zukunft rüsten und daher c) beim besten spanischen Keeper García lieber zu früh als zu spät zuschlagen will. Da ist ein Trainer wie Hansi Flick, dem es um den größtmöglichen Erfolg geht. Und da ist ein Spieler wie ter Stegen, der sich nicht nur um den Verein verdient gemacht hat, sondern noch dazu aus einer langen Verletzungspause zurückkehrt. Weggegangen, Platz gefangen.
Was jetzt schon sicher ist: dass die Interessen der Lager zu verschieden sind, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Und dass der Fall zwar individuell zu betrachten ist, aber trotzdem einem Muster folgt. Selten klappt es im Fußball, eine Wachablösung auf Positionen, die von einzelnen Protagonisten geprägt sind, geräuschlos in die Wege zu leiten. Warum sonst spielte der FC Bayern nach dem Weggang von Robert Lewandowski ohne echten Stürmer? Und warum gibt Manuel Neuer immer noch den Ton im Tor an, während in Alexander Nübel und Daniel Peretz zwei potenzielle Nachfolger kleingehalten wurden?
Große Egos, exklusive Position, komplizierte Fälle. Und trotzdem gilt auch hier eine simple wie einleuchtende Maßgabe: Offene Kommunikation hilft. An jedem Standort.