Merlin räumt ab

von Redaktion

München – Rumms! Es scheppert, Glas klirrt, eine Scheibe zerspringt. Einige Meter weiter unten steht Merlin Hummel und betrachtet zufrieden sein Werk. Hummel ist Hammerwerfer – und lebendige Abrissbirne. Den Stadtwerken Bayreuth half er bei einer Renovierung der anderen Art und schleuderte seinen Hammer gegen eine Hauswand. Präzise, treffsicher, denn Merlin weiß, wo der Hammer hängt.

Die LG Stadtwerke München hat in dem 23-Jährigen einen Weltklasse-Leichtathleten in den eigenen Reihen. Nach bitteren Abgängen von Tobias Potye oder Yannick Wolf ein neues Zugpferd für den Standort. Im Mai kam Hummel bei den Halleschen Werfertagen auf 80,11 Meter und war damit der erste Deutsche seit 18 Jahren, der die magische Marke durchbrochen hat. „Mir ist durch den Kopf geschossen: Das müssen jetzt 80 Meter sein. Ansonsten wäre das ganze Rumgeschreie auch peinlich gewesen“, erzählt er lachend unserer Zeitung.

Ein positiver Ausrutscher nach oben? Nein, eher die Bestätigung eines Aufwärtstrends. Schon im Trainingslager merkte Hummel, dass das 7,26 Kilogramm schwere Arbeitsgerät in diesem Jahr ein besonders guter Freund werden kann. Und der Auftritt von Halle wurde kürzlich sogar noch übertroffen. 81,23 Meter beim Meeting in Fränkisch-Crumbach, und damit weltweit die drittbeste Leistung 2025. „Ich habe mir vor dem Wettkampf gedacht: Den mache ich halt mal mit. Ich dachte nicht, dass ich noch so viel Power habe, nach zwei intensiven Wochen. Aber schon beim ersten Wurf habe ich gemerkt: Heute geht richtig was. Die 81 Meter habe ich noch nicht realisiert, das ist schon alles heftig gerade.“ Der letzte deutsche Hammerwerfer, der weiter warf, war Karsten Kobs, im Jahr 2002.

Auf seiner Website hatte Hummel vor einiger Zeit einen Artikel mit der Überschrift „Mein Weg in die Weltspitze“ veröffentlicht. Und fragte sich damals, ob das nicht überzogen sei. Schnee von gestern. „Jetzt bin ich da angekommen“, sagt er: „Nun gilt es, diese Leistung auch in wichtigen Wettbewerben abzurufen. Ich habe Blut geleckt.“

Über seinen Stiefvater kam er zur Leichtathletik, begann in Kulmbach-Stadtsteinach mit dem Hammerwerfen. Sein Trainer ist nach wie vor Martin Ständner, ein eingespieltes Team. Wichtig für den Erfolg ist auch Mama Hummel, besonders für den mentalen Bereich. Visualisierungen, Meditationen, Tagebücher. Beim Training führt Hummel oft Selbstgespräche, um fokussiert zu bleiben. Situationen, an denen er früher verzweifelt wäre, nimmt er heute als dankbare Ereignisse wahr. Erfolgreiches Stressmanagement.

Eine weitere Komponente für den Aufstieg: Einfach mal schauen, was die Weltspitze so treibt. Der Stadtwerke-Athlet studierte die Würfe von Olympiasieger Ethan Katzberg. Wollte verstehen, wie der Kanadier mit seinen unscheinbaren Kraftwerten eine solche Beschleunigung in den Wurf reinbekommt. Hummel, der in der Kniebeuge 245 Kilo stemmen kann, merkte, dass er mit weniger Kraft weiter werfen kann. „Lockerlassen, den Hammer einfach mal durchlaufen lassen. Du musst eins mit dem Hammer werden. Das ist wie ein Zen-Modus.“

Bei den Olympischen Spielen von Paris belegte Hummel den zehnten Platz. Bei der WM in Tokio dieses Jahr soll es weiter nach vorne gehen. Hammer-Hummel will es wissen.NICO-MARIUS SCHMITZ

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