Ein Team mit viel Zukunft: NBA-Champion Oklahoma City. © Ford/AFP
Am Ende spritzte der Champagner: Guard Shai Gilgeous-Alexander. © Cortez/dpa
Zu müde im Moment von Papas größtem sportlichen Erfolg: Isaiah Hartenstein feiert mit Sohn Elijah den NBA-Titel – als zweiter Deutscher nach Dirk Nowitzki. © Stockman/AFP
Oklahoma – Wer so früh seinen ersten Titel feiert, hat sonderbare Probleme zu bewältigen. Die blutjungen Basketballer der Oklahoma City Thunder wussten nicht einmal, wie sich Champagnerflaschen öffnen lassen. Es brauchte schon eine ausführliche Anleitung ihres Ältesten, Alex Caruso, 31 Jahre alt, wie Kollege Isaiah Hartenstein verriet. Der Deutsche kämpfte selbst mit den Unwägbarkeiten aus dem Leben eines jungen Mannes, sorgte damit ganz zufällig für eines dieser ikonischen Bilder, das die Jahre überdauern wird: Sein Sohn Elijah, ein Jahr alt, schlief auf seinem Arm ein, klammerte sich fest an den Papa und ließ sich auch nicht von Konfettiregen und der allgemeinen Ekstase wach kriegen.
Im basketballerischen Sinn sind die Thunder ja selbst noch Kinder: im Schnitt nicht einmal 25 Jahre alt, das zweitjüngste Team der Liga – und der jüngste Meister der vergangenen 48 Jahre. „Das haben wir die ganze Saison gehört: Wir sind zu jung“, sagt Isaiah Hartenstein, 27, im Meisterinterview mit der deutschen NBA-Expertin Aurelia Rieke. Warum sie es dennoch in den Basketball-Olymp geschafft haben mit dem Finalsieg über Indiana, das erzählt man am besten am Beispiel Isaiah Hartenstein. Dem zweiten Deutschen mit einem Meistertitel in der NBA.
Erst im Sommer kam er nach Oklahoma, angelockt von einem Zweijahresvertrag mit dem stattlichen Gehalt von 58,5 Millionen Dollar. So viel konnte der Verein nur bieten, weil die Spielregeln der Liga junge Teams bevorzugen. Heranwachsende Basketballer verdienen wenig. Wer viele sammelt, hat viel Spielraum unterhalb der Gehaltsgrenze. Genau das handhabt Manager Sam Presti, der beste Baumeister der NBA, meisterhaft. Seit Jahren hortet er Talente und Draftpicks, also die Rechte an künftigen Spielern, rekrutiert nach einem bestimmten Muster, und lag mit beinahe jeder Verpflichtung goldrichtig. Sie scannen den Markt nach flinken, schlauen, gut entwickelten Spielern, die ihr Ego zurück nehmen können und erstklassige Verteidiger sind. Eine Defensive wie diese hat die Liga seit 20 Jahren nicht gesehen. Das ist pure Tyrannei, wie die Thunder sich auf Gegner und Basketball stürzen. Nur deshalb sind sie jetzt Meister. Weil niemand es schaffte, dieser vielschichtigen Falle zu entkommen. Im entscheidenden siebten Spiel des Finales kam Gegner aus Indianapolis auf gerade 91 Punkte. Was in diesem Fall aber auch an der frühen, schweren Verletzung von Superstar Tyrese Haliburton lag.
Inmitten dieser Herde an Wölfen findet sich Isaiah Hartenstein wieder. Wenige hatten einen so beschwerlichen Weg an die Spitze zu beschreiten wie der 2,13-Meter-Center, geboren und aufgewachsen in Amerika, in Jugendjahren dann gemeinsam mit Vater Florian – selbst Nationalspieler – in Deutschland. Er tingelte von Team zu Team in der NBA, hangelte sich von Mini-Vertrag zu Mini-Vertrag. Stets mit der Hoffnung, sich doch einmal zeigen zu dürfen. Die Clippers aus Los Angeles entfesselten als Erste sein seltenes Talent als Spielmacher gepaart mit den überdurchschnittlichen Fertigkeiten in der Defensive. Es folgten der Durchbruch in New York bei den Knicks und nun die Meisterschaft. Er wird jetzt für immer neben Dirk Nowitzki aufgezählt werden, dem ersten Deutschen NBA-Sieger. „Mit Dirk ist es immer schwer, in einem Satz zu stehen. Danke Dirk“, sagt Hartenstein im Moment des großen Triumphs.
Allerdings, so viel lässt sich schon abschätzen, wird seine Zeit in Oklahoma begrenzt sein. Derzeit, man kann das so süffisant festhalten, ist der Center ein Luxus-Vehikel, das sich der Club momentan leisten kann. Er macht die Thunder ein kleines bisschen besser. Schon bald aber werden die jungen Spieler älter – und teurer. Einer wie Hartenstein, so hart das klingt, ist entbehrlich. In einem Jahr läuft sein garantierter Vertrag bei OKC aus. Das Geld werden sie in andere investieren. In den Kanadier Shai Gilgeous-Alexander, 26 Jahre alt, der seine märchenhafte Saison samt Titeln für den Top-Scorer, den wertvollsten Spieler der Liga und der Finalserie krönte. Er erinnert in seiner Art, Basketball zu spielen, an einen gewissen Michael Jordan, nur dass er nicht ganz so hoch fliegt wie seine Heiligkeit. Oder in Jaylin Williams, 22 Jahre jung. Er wird zurzeit immer häufiger mit Scotty Pippen, Jordans Edelhelfer, verglichen. Pippen selbst gefällt das. Ja, Oklahoma City ist gerade dabei, das neue NBA-Imperium zu errichten. ANDREAS MAYR