Vom Golden Boy zum Sorgenkind

von Redaktion

Erlösung in Amerika: Renato Sanches gelang gegen Auckland sein erstes (!) Saisontor für Benfica. © AFP/Grimm

München – Ja, es gab Zeiten, in denen der FC Bayern auch dann, wenn der Ball ruhte, die neidischen Blicke der Konkurrenz auf sich zog. Und am 10. Mai 2016 war das besonders intensiv der Fall. Binnen weniger Stunden machten Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge damals, an diesem „Tag der Transfers“, die Verpflichtungen von Mats Hummels und Renato Sanches klar. Ein gestandener Abwehrspieler, mit dessen Kauf man die Konkurrenz schwächt – und dazu das am heißesten begehrte Talent des europäischen Fußballs: Chapeau! Hinter den Kulissen klopfte man sich auf die Schultern und malte sich für beide Protagonisten rosige Zeiten im roten Trikot aus. Heute weiß man: So richtig rosig wurde es nicht. Hummels ging nach drei Jahren zurück zum BVB, Sanches hat einen Absturz hingelegt, der seinesgleichen sucht. Vom „Golden Boy“ zum Sorgenkind. Hat er daher noch eine Rechnung mit den Münchnern offen?

Eine willkommene Gelegenheit, sie zu begleichen, wäre am Dienstag. In Charlotte trifft Sanches, nicht mehr 18, sondern inzwischen 27 Jahre alt, im dritten Gruppenspiel mit Benfica Lissabon auf seinen Ex-Verein. Die Bayern (6 Punkte) stehen schon sicher im Achtelfinale der Club-WM, Benfica (4) kann theoretisch noch von den Boca Juniors (1) eingeholt werden. Aber für Sanches geht es sowieso um viel mehr als den einen Punkt, der für den Einzug in die K.o.-Phase des Mammut-Turniers in den USA noch fehlt. Der Portugiese, 2016 mit 18 Jahren und 328 Tagen jüngster Europameister, ist auf der Suche nach der konstant guten Form, in der ihn die Bayern einst für 35 Millionen kauften (und bis zu 45 Mio. mehr gezahlt hätten, wäre er Weltfußballer geworden). Mal wieder.

Die Bayern haben ihm wohl den Kopf verdreht. Zu viel, zu groß, zu schnell. Es ist müßig, den Satz auf Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aber es ist schon ein Teil der Wahrheit, dass der Fall des hochgejubelten Sanches in München begann. Unter Carlo Ancelotti durfte er lediglich zwei Mal über 90 Minuten ran, nach seiner Rückkehr von Swansea wurde es unter Niko Kovac zwar geringfügig besser, richtig angekommen aber war der offensive Mittelfeldspieler nie. Eine kompliziert zu integrierende Mischung aus Sechser und Achter, hieß es damals, man nahm die 20 Millionen Euro aus Lille gerne. In Nordfrankreich drehte Sanches zwar so auf, dass PSG anklopfte. Dort allerdings dasselbe Spiel: Verletzungen, keine Einsätze – Leihe. Nach der Station AS Rom folgte die vorübergehende Rückkehr zu Benfica. Mit Happy End?!

Just nach dem Duell mit den Bayern in der Gruppenphase der Champions League (0:1) im November 2024 fiel er monatelang aus, ein Treffer ist ihm in der gesamten vergangenen Saison nicht gelungen. Zumindest: bis zum Wochenende. Denn tatsächlich stand beim 6:0 von Benfica gegen Auckland City am Freitag der Name Renato Sanches unter den Torschützen. Weltfußballer wird er damit nicht mehr, aber immerhin: ein Anfang ist gemacht.HANNA RAIF

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