Hoeneß‘ Dorn im Auge: Hamann und Matthäus. © Imago
Im Bayern-Fokus: Was ist Woltemade wert? © Imago
München – Die Bayern stehen im Viertelfinale der Club-WM – aber die Top-Gesprächsthemen sind das Werben um Stuttgarts Nick Woltemade und der Experten-Ärger von Uli Hoeneß. Auch gegen Didi Hamann schoss der Patron des FC Bayern. Er antwortet im Interview.
Herr Hamann, wie sehen Sie den Streit zwischen Hoeneß und Matthäus?
Relativ emotionslos. Lothar hat ja nur gesagt, dass Stuttgart eine Ablöse jenseits der 60 Millionen Euro aufrufen könnte. Und das kann tatsächlich so sein. Man hört ja aus Stuttgart, dass sie von 100 Mio. sprechen. Den Preis bestimmt nur der VfB – weder Uli noch Lothar.
„Diese Experten sind mir schon lange ein Dorn im Auge“, sagte Hoeneß und meinte damit auch Sie. Trifft Sie das?
Wenn er sagen würde, welche meiner Aussagen ihn stören, dann könnte ich darauf antworten. Aber so trifft mich das nicht.
In welcher Preiskategorie sehen Sie Woltemade?
Karl-Heinz Rummenigge meinte kürzlich, dass das Problem sei, dass die Münchner in Sachen Spielergehälter zuletzt großzügig gearbeitet haben. Aus meiner Sicht nicht nur da, sondern auch bei der Ablöse, wenn ich an Zaragoza, Boey oder Palhinha denke. Woltemade hat eine hervorragende Saison gespielt und auch bei der U21-EM aufgezeigt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er vergangenen Sommer ablösefrei nach Stuttgart gewechselt ist und nicht mal für die Champions League gemeldet war. Für mich wären selbst 50 Mio. zu viel für ihn. Ich sehe eine Ablöse zwischen 30 und 40 Mio. – und selbst da ist sehr viel Fantasie dabei.
Würden Sie ihm schon jetzt raten, nach München zu wechseln?
Ob das der richtige Schritt ist, wird man sehen. Ich stelle mir die Frage, wo er spielen soll. Er ist ein Spieler, der vorne drin spielt. Aber da hat man Kane und Musiala. Woltemade ist ein sehr guter Spieler, ich bin auch Fan von ihm. Aber als Kane-Back-up wäre er mir zu teuer. Und auf der Seite sehe ich ihn nicht.
Es heißt, ein Transfer würde auch Druck bei der Suche nach einem Linksaußen nehmen.
Coman hat sich wieder verletzt, Gnabry hat sehr anonym gespielt gegen Flamengo. Aus meiner Sicht brauchen sie noch jemanden auf der linken Seite, sonst wären sie unheimlich abhängig von Olise.
Warum tut sich Bayern so schwer auf dem Flügel-Transfermarkt?
Dieses „Woltemade oder keiner“ ist ja dem Umstand geschuldet, dass einige Wunschspieler für den linken Flügel schon abgesagt haben und es offenbar auch einen Mangel an Alternativen gibt. Leao, Barcola, Gittens, Williams – wenn ich das aus der Ferne beurteile, habe ich das Gefühl, dass man an allen ein bisschen interessiert war und an keinem so richtig. Ich hatte den Eindruck, dass man sich beim FC Bayern auch da wieder nicht einig war.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Sportvorstand Max Eberl?
Auf der einen Seite gibt es bei Bayern viele Leute, die mitreden. Das macht seinen Job nicht einfacher. Auf der anderen Seite sprach er nach dem Flamengo-Spiel davon, wie gläsern heutzutage Transfers ablaufen. Dabei darf er nicht vergessen, wie Liverpool bei Wirtz agiert hat. Da hat man erst vom Interesse gehört, als der Wechsel fast abgeschlossen war. Dieses Vorgehen sollte der Maßstab der Bayern sein.
Leroy Sané absolvierte beim 4:2 gegen Flamengo sein letztes Spiel für Bayern. Wird er fehlen?
Wenn man seine fünf Jahre in München betrachtet, muss man sagen: Das war zu wenig. Ich schaue ihn mir unglaublich gerne an. Er hat außergewöhnliche Fähigkeiten, die in Deutschland sonst keiner hat. Die hat er aber zu selten gezeigt.
Im Viertelfinale wartet nun Paris…
… und die sind aktuell das Maß aller Dinge. Man muss sie unter Druck setzen, weil sie unglaublich ballsicher sind. Man muss schauen, dass man die Mittelfeldstars Vitinha, Neves und Ruiz am Spielen hindert. Gegen Flamengo ist Bayern relativ souverän weitergekommen. Das hat mir gefallen. Wenn sie diese Aggressivität beibehalten, dann haben sie auch gegen Paris eine Chance. Wenn Bayern die aus dem Weg räumt, sind sie wahrscheinlich selbst der Favorit.
INTERVIEW: PHILIPP KESSLER