Heilsbringer: Leroy Sane wurde von den Gala-Fans schon bei seiner Ankunft in Istanbul gefeiert. © IMAGO/Kutucu
Istanbul – Blitzlichtgewitter, lautstarke Gesänge hunderter frenetischer Galatasaray-Fans und eine Pyro-Show: Als Leroy Sané vor gut zwei Wochen in Istanbul landete, wurde er empfangen wie ein Popstar. Die Szenen aus dieser türkischen Sommernacht könnten ein Vorgeschmack auf das sein, was Sané in den kommenden drei Jahren erwartet.
Der deutsche Nationalspieler, der seit gestern offiziell Spieler von Galatasaray ist, streicht nach Vereinsangaben ein Nettogehalt von neun Millionen Euro pro Saison sowie einen Nettotreuebonus von drei Millionen Euro ein – und dürfte in diesem Transfersommer nicht der einzige Star bleiben, den die Gala-Fans ekstatisch begrüßen. Ilkay Gündogan, Marc-André ter Stegen, Hakan Çalhanoglu, Kingsley Coman: Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein weiterer hochkarätiger Name mit einem Wechsel zum türkischen Rekordmeister in Verbindung gebracht wird. Die „Löwen vom Bosporus“ planen den Großangriff auf Europa. Was passiert da in Istanbul?
„Ali Sami Yen, der Gründungsvater von Galatasaray, hatte stets das Ziel, auf der großen Bühne des europäischen Fußballs zu bestehen“, erklärt Onur Dincer, Galatasaray-Reporter der türkischen Tageszeitung Milliyet, gegenüber unserer Zeitung. Die aktuelle Transferoffensive sei genau in diesem historischen Kontext zu verstehen. Dreimal in Folge wurde „Cim-Bom“ zuletzt türkischer Meister – ein beachtlicher Erfolg, der bei Galatasaray jedoch eher als Pflicht denn als Kür gilt. „Nationale Titel reichen Gala nicht“, sagt Dincer. „Der Verein will auch international glänzen – dieser Anspruch ist tief in seiner DNA verankert.“
Bislang gelang das jedoch nur einmal: Im Jahr 2000 gewann Galatasaray unter Trainerlegende Fatih Terim den UEFA-Cup im Finale gegen den FC Arsenal – bis heute der einzige europäische Titel eines türkischen Clubs. Doch der Hunger nach mehr wächst. Dincer: „Alle erwarten jetzt auch in der Champions League starke Leistungen. Das Ziel ist mindestens das Viertel-, wenn nicht sogar das Halbfinale. Mit Leroy Sané will man genau das schaffen.“
Sané ist dabei nur das neueste Puzzlestück. In Istanbul trifft er unter anderem auf Victor Osimhen – sofern dieser nach seiner Leihe vom SSC Neapel fest verpflichtet wird – sowie auf Mauro Icardi. Auch frühere Bundesliga-Profis wie Kaan Ayhan, Kerem Demirbay und Roland Sallai gehören zum Kader.
Finanziell ist die Mannschaft eine Herausforderung – und Galatasaray geht dafür kreative Wege. Ein bedeutender Baustein ist ein groß angelegter Immobilien-Deal: Der Verein hat sein Trainingsgelände verlagert, das alte Areal soll nun in ein Wohnprojekt umgewandelt und gewinnbringend verkauft werden. „Galatasaray wird nach Abzug der Kosten 434 Millionen Dollar verdienen“, rechnete Club-Präsident Dursun Özbek Ende Mai großspurig vor. Die Einnahmen sollen zur Schuldentilgung – aktuell belaufen sich Galas Verbindlichkeiten laut der Agentur Anadolu auf rund 325 Millionen Euro – sowie für Investitionen in Infrastruktur und Mannschaft verwendet werden.
Parallel dazu setzt Galatasaray auf steigende Einnahmen aus dem Spielbetrieb (aktuell 59 Mio. Euro), TV-Geldern und Sponsorings (aktuell 140 Mio. Euro) – und auf die unerschütterliche Unterstützung seiner Fans. Dincer: „Wir sprechen hier von einem Club mit rund 30 Millionen Anhängern weltweit. Allein in Deutschland gibt es hunderttausende Galatasaray-Fans.“
Und die sollen jetzt alle ein Sané-Trikot kaufen. Ganz ungeniert forderte der Verein nach dessen Verpflichtung zum Erwerb tausender Leroy-Leiberl auf. „Wir erwarten, dass Hunderttausende davon gekauft werden. Wir brauchen die Unterstützung unserer Fans!“, schrieb Gala in den Sozialen Medien. Doch beim Stoff hört die Marketing-Maschinerie längst nicht auf. Auch bei Galas neuestem Projekt sollen die Anhänger zugreifen. In Kooperation mit einem Getränkekonzern brachte der Club sein eigenes Mineralwasser auf den Markt. Das gebrandete „Florya-Wasser“, benannt nach dem alten Trainingsgelände, soll durch Markenbindung der Fans zusätzliche Millionen in die Clubkasse spülen.
Dass solche Fanaktionen tatsächlich funktionieren, zeigen die Zahlen: In der Saison 2023/24 erwirtschaftete Galatasaray rund 85 Millionen Euro allein durch Trikot- und Merchandise-Verkäufe – Platz neun im europäischen Vergleich, noch vor PSG, Dortmund oder dem Champions-League-Finalisten Inter Mailand. Das entspricht rund 34 Prozent des Gesamtumsatzes. Zum Vergleich: Beim FC Bayern München liegt dieser Anteil bei lediglich 22 Prozent.
Gleichzeitig reduziert der Verein die laufenden Kosten: Topverdiener wie Dries Mertens und Torhüter Fernando Muslera haben den Club verlassen und so Gehaltsspielraum geschaffen. Sané könnte also nur der Anfang sein – weitere Stars sollen folgen. Und weil es Gala ist, natürlich auf kreative Art und Weise. „Bei Oshimen wird spekuliert, dass Sponsoren einen Teil seiner Ablösesumme (Ausstiegsklausel: 75 Mio. Euro, Anm. d. Red.) übernehmen“, erklärt Dincer. Und das auf direktem oder indirektem Wege: Weil die Flächen auf der Brust (Sixt) und dem Rücken des Trikots (Pasifik Holding) belegt sind, fragte ein Geldgeber schon an, auf den Stutzen werben zu dürfen.
Gala lässt eben nichts unversucht – für den Großangriff auf Europa!JOHANNES OHR