A. Zverev verliert in der ersten Runde gegen Arthur Rinderknech. © IMAGO/Hasenkopf
In der Krise: Alexander Zverev © Frank Molter/dpa
Ein Foto sinnbildlich für Alexander Zverevs Lebenssituation: Nach seinem Erstrunden-Aus in Wimbledon sprach der 28-Jährige von einer großen Leere. © IMAGO/Greenwood
London – Alexander Zverev suchte nach den richtigen Worten. Immer wieder blickte der deutsche Tennisstar nach unten und knibbelte an seinen Fingern, als er einen tiefen Einblick in sein Seelenleben gab. „Ich fühle mich im Moment im Allgemeinen ziemlich allein im Leben“, sagte der niedergeschlagene Hamburger mit leiser Stimme nach seinem Erstrunden-Aus in Wimbledon: „Und das ist kein schönes Gefühl.“
Tennis, versicherte Zverev am Dienstagabend wiederholt, sei gerade nicht das Problem. „Im Moment ist es schwierig, außerhalb des Tennisplatzes Freude zu finden“, sagte Zverev. Die Fünfsatz-Niederlage des Weltranglistendritten gegen den französischen Außenseiter Arthur Rinderknech rückte da im All England Club plötzlich in den Hintergrund.
Er versuche, „Wege zu finden, aus diesem Loch herauszukommen“, sagte Zverev. Auch eine Therapie schloss er in diesem Zusammenhang nicht aus. Er müsse verstehen, „welche Menschen mir Freude bringen, was mir Spaß macht, was mich motiviert“. Das sei im Alter von 28 Jahren seine „Aufgabe Nummer eins“. Angesprochen auf seine Tochter Mayla, die bei Mutter Brenda Patea in Berlin lebt, sagte Zverev: „Meine Tochter macht mich generell glücklich, das ist die Version, die mich am glücklichsten macht in meinem Leben. Aber sie ist vier. Normalerweise muss es andersrum sein, ich muss ihr Energie geben, ich muss sie glücklich machen und nicht andersrum. Das kann es nicht sein.“ Wie er die kommenden Tage verbringt, wisse er noch nicht, sagte Zverev – und kündigte eine vierwöchige Tennispause an.
Die wird ihm auch sportlich gut tun. Gegen Rinderknech, die Nummer 72 der Welt, wirkte der Olympiasieger von Tokio auf dem Platz ideenlos, stand in kritischen Moment gewohnt weit hinter der Grundlinie und dominierte kaum einen Ballwechsel. Auch eine Nacht Unterbrechung beim Stand von 1:1-Sätzen half ihm nicht. Das überraschende Aus war hochverdient.
Bis zum Masters in Kanada, das Ende Juli beginnt, will er Antworten finden. Vor allem im privaten Bereich. Schon seit den Australian Open im Januar, als er im Endspiel glatt in drei Sätzen gegen den Italiener Jannik Sinner verlor, fühle er sich so, sagte Zverev. Die frühere Profispielerin Andrea Petkovic kann sich in die Situation einfühlen. „Nach einer Niederlage kommen Sachen hoch, die du schön unter der Oberfläche halten kannst, wenn du gewinnst“, sagte sie. „Das Tennisspielerdasein ist generell ein einsamer Sport. Du fühlst dich auf dem Tennisplatz alleine, du fühlst dich außerhalb alleine. Ich hatte auch eine Riesenkrise mit 28.“
Bruder und Manager Mischa relativierte die Aussagen bei Prime Video. „Nach Niederlagen fühlt man Verschiedenes“, sagte Mischa Zverev, der von den Aussagen seines Bruders überrascht war: „Da hat sich nichts Großartiges angedeutet.“ Im Gespräch mit seinem Bruder nach der Pressekonferenz „schien eigentlich alles okay zu sein“, sagte er. Das klang bei „Sascha“ kurz zuvor gänzlich anders. „Ich habe viele Schwierigkeiten durchgemacht. Ich habe viele Schwierigkeiten in den Medien durchgemacht. Ich habe viele Schwierigkeiten im Leben allgemein durchgemacht. Ich habe mich noch nie so leer gefühlt“, sagte Zverev deutlich. Es fehle ihm „einfach die Freude an allem, was ich tue.“ Um Tennis, betonte er erneut, gehe es dabei nicht.SID, DPA